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Auferstehung

Auferstehung

Titel: Auferstehung
Autoren: Brian Lumley
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vielleicht fünfundzwanzig Jahre alt; anfangs hatte er jünger ausgesehen, doch dieser Eindruck verlor sich nun.
    Seine Augen waren interessant. Sie sahen Kyle an und schienen doch geradewegs durch ihn hindurchzublicken, als wäre er der Geist und nicht umgekehrt. Sie waren blau, diese Augen – dieses verwirrende, farblose Blau, das stets so unnatürlich wirkt, dass man glaubt, der Besitzer trüge Kontaktlinsen. Darüber hinaus lag in diesen Augen etwas, das besagte, dass sie mehr wussten, als ein Fünfundzwanzigjähriger wissen konnte. Die Weisheit ganzer Epochen schien darin verborgen, das Wissen von Jahrhunderten lag unmittelbar unter dem dünnen blauen Film, der sie bedeckte.
    Davon abgesehen wirkten seine Gesichtszüge edel wie Porzellan und ebenso zerbrechlich; seine Hände waren schmal und spitz; seine Schultern hingen ein wenig nach vorn. Seine Haut war mit Ausnahme der Sommersprossen blass und makellos. Doch wenn er nicht diese Augen gehabt hätte, würde man ihn auf der Straße keines zweiten Blickes würdigen. Er war einfach nur – ein junger Mann. Oder ein junges Gespenst. Oder vielleicht ein sehr altes.
    »Nein«, sagte das Objekt von Kyles prüfendem Blick mit bewegungslosen Lippen, »ich bin überhaupt kein Gespenst. Jedenfalls nicht im klassischen Sinne des Wortes. Da Sie mich immerhin als gegeben betrachten, können wir anfangen?«
    »Anfangen? Äh, natürlich!« Kyle hatte plötzlich den Drang, wie ein hysterisches Schulmädchen zu lachen. Er beherrschte sich mit einiger Anstrengung.
    »Sind Sie sicher, dass Sie bereit sind?«
    »Ja, ja. Fangen Sie nur an. Aber ... ähm, kann ich das mitschneiden? Für die Nachwelt oder so? Ich habe hier ein Aufnahmegerät, und ich ...«
    »Die Maschine wird mich nicht hören«, sagte der andere und schüttelte wieder den Kopf. »Es tut mir leid, aber ich spreche nur mit Ihnen ... auf direktem Wege. Ich dachte, Sie hätten das verstanden? Aber ... machen Sie sich Notizen, wenn Sie möchten.«
    »Notizen, ja ...« Kyle kramte in den Schubladen des Schreibtisches und fand Stift und Papier. »Gut, ich bin bereit.«
    Die Gestalt nickte langsam. »Die Geschichte, die ich Ihnen erzählen werde, ist ... merkwürdig. Doch da Sie in einer Organisation wie dieser arbeiten, sollte sie Ihnen nicht allzu unglaubwürdig erscheinen. Und falls doch – es wird nachher viel für Sie zu tun geben, und spätestens dann wird sich die Wahrheit der Dinge, die ich Ihnen erzählen werde, erweisen. Was die Zweifel an der Zukunft Ihres Dezernats betrifft – legen Sie sie beiseite. Sie werden Ihre Arbeit fortsetzen und dabei an Einfluss gewinnen. Gormley war der Leiter, doch er ist tot. Nun werden Sie die Leitung übernehmen – für eine Weile. Sie werden dem gewachsen sein, glauben Sie mir. Jedenfalls ist nichts von dem verloren, was Gormley wusste; tatsächlich ist viel gewonnen worden. Was die Gegenseite betrifft – sie haben Verluste erlitten, von denen sie sich vielleicht nie wieder erholen. Zumindest werden sie die bald erleiden.«
    Während die Erscheinung sprach, wurden Kyles Augen noch größer, und er setzte sich immer weiter auf. Es ( er, verdammt noch mal!) wusste über das Dezernat Bescheid. Über Gormley. Über ›die Gegenseite‹, was die Dezernats-Bezeichnung für ihr russisches Gegenstück war. Und wie war das mit den Verlusten, die sie erleiden würden? Kyle wusste nichts davon! Woher bezog dieses Wesen seine Informationen? Und wie viel wusste es überhaupt?
    »Ich weiß mehr, als Sie sich vorstellen können«, sagte der andere und lächelte schwach. »Und was ich nicht weiß, kann ich in Erfahrung bringen – fast alles.«
    »Hören Sie mal«, sagte Kyle verteidigend, »es ist nicht so, dass ich irgendwas davon anzweifle – nicht mal meinen eigenen Verstand, was das betrifft –, ich versuche nur, damit klarzukommen und ...«
    »Ich verstehe«, fiel ihm der andere ins Wort. »Tun Sie das aber bitte während meiner Erzählung, wenn möglich. In meinem Bericht können sich die Zeitzonen etwas überlappen, also sollten Sie sich auch daran gewöhnen. Aber ich versuche, so chronologisch wie möglich vorzugehen. Am wichtigsten sind die Informationen selbst. Und ihre Auswirkungen.«
    »Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich ver...«
    »Ich weiß, ich weiß. Hören Sie mir einfach nur zu, vielleicht werden Sie dann verstehen.«

ERSTES KAPITEL
    Moskau, Mai 1971
    Unweit der Stadt, in einem dichten Waldstück – wo die Serpuchovstraße zwischen niedrigen Hügeln verlief und
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