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Auf nassen Straßen

Auf nassen Straßen

Titel: Auf nassen Straßen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sagte Bunzel laut.
    »Verzeihung. Das ändert vieles! Dann fällt der Maßstab Mensch ja für Sie weg.«
    Das Erscheinen Jochen Baumgarts enthob Bunzel einer Entgegnung, die ihm einen Prozeß wegen Beamtenbeleidigung und Körperverletzung eingebracht hätte.
    »Ich erwarte Sie schon«, sagte Baumgart. »Darf ich bitten?«
    »Kriminalinspektor Barthels.«
    »Sehr erfreut. Wir müssen in die Kapitänskajüte gehen, da in meinen Räumen ein Lazarett eingerichtet ist.«
    »Ein Lazarett?«
    »Mein Vater und meine Mutter sind krank. Und mein Bruder …« Er biß sich auf die Lippen. »Das erzähle ich Ihnen alles der Reihe nach. Es wird für Sie schwer sein, alles zu glauben. Gelingt es Ihnen, dies doch zu tun, haben Sie eine Meisterleistung vollbracht. Ich an Ihrer Stelle würde es nicht glauben!«
    »Das sind ja wenig rosige Aussichten.« Inspektor Barthels sah über das weiße Schiff hin. Ein wundervoller Kahn, dachte er. Wirklich das Schönste, was ich je gesehen habe. Und man sieht viel am Ufer des Rheines. »Sie haben eine Anzeige wegen Schmuggels aufgegeben. Eine Selbstanzeige?«
    »Das wäre übertrieben, wollte man es so nennen.« Sie betraten die Kapitänskajüte. Baumgart holte eine Flasche Kognak aus dem Wandschrank. »Ein Glas, Herr Inspektor?«
    »Ich bin zwar im Dienst …« Barthels lächelte. »Aber draußen ist es lausig kalt. Betrachten wir es als Aufwärmung.«
    Sie tranken schweigend den Kognak und saßen dann, sich kritisch betrachtend, einander gegenüber. Inspektor Barthels nahm die Unterhaltung wieder auf.
    »Wir suchen Sie. Wissen Sie das?«
    »Nein. Aber ich habe es erwartet.«
    »Wir kannten weder den Namen des Schiffes, noch wußten wir, wo es herumschwimmt! Im Fahndungsblatt steht nur, daß nach Aussagen von Pierre Domaine der Schmuggel per Schiff erfolgte. Das andere sollten wir selber auskundschaften, sagte dieser Domaine. Aber ich kann Ihnen verraten, daß seit gestern alle Binnengewässer scharf kontrolliert werden.«
    »Darum meldete ich mich ja auch. Ich habe Holz an Bord.«
    Inspektor Barthels hob die Augenbrauen. »Holz? Sie machen einen Witz!«
    »Durchaus nicht. Ich habe alle Laderäume voller Holzstämme. Sie sollen in die Schweiz. Bitte, überzeugen Sie sich.«
    Ein wenig verärgert erhob sich Barthels. »Ich dachte, Sie haben –« Er räusperte sich. »Das Holz sollte unverzollt hinübergebracht werden? Aber das ist doch Chutsch!«
    »Das Holz wurde verzollt! Aber was sich in dem Holz befindet, das ist eine Million wert!«
    »In dem Holz?«
    »Die Stämme sind angebohrt. In den Bohrlöchern liegen Metallkapseln mit Morphium, Dolantin, Pervitin, Scopolamin und andere Drogen, auf die im Ausland Tausende von Kunden warten. Fast jeder Stamm ist ›geimpft‹, wie Bunzel es nennt. Es ist die raffinierteste Schmuggelart, die es je gab.«
    »Das ist ja toll!« Inspektor Barthels sagte es aus tiefster Überzeugung. »Ich gebe zu, daß wir danach nicht gesucht hätten.«
    Jochen Baumgart hob beide Hände.
    »Sie mögen daraus ersehen, daß ich genauso wie Sie getäuscht worden bin, als ich die Ware an Bord nahm.«
    »Ach! Sie wußten das nicht?«
    »Nein. Ich erfuhr erst durch meinen Bruder, was ich an Bord habe.«
    »Und woher weiß es Ihr Bruder?«
    »Von einem der Schmuggler, von einem Herbert Willke.«
    »Dieser Willke ist flüchtig und wird in ganz Europa gesucht.« Inspektor Barthels sah sich in der Kapitänskajüte um. »Ich werde zunächst Ihren Bruder vernehmen.«
    »Das ist unmöglich«, sagte Jochen stockend.
    »Unmöglich?«
    »Er ist tot. Er liegt nebenan. Ich werde Ihnen die näheren Umstände seines Todes erklären. Es war ein Unglücksfall.«
    »Ein merkwürdiger Unglücksfall, der einen wichtigen Zeugen ausschaltet, finden Sie nicht auch?«
    In Baumgart kroch es heiß empor. »Was wollen Sie damit sagen, Herr Inspektor?«
    Jürgen Barthels antwortete nichts darauf. Er sah sich in der Kajüte um, nahm diesen oder jenen Gegenstand in die Hand und drehte sich nur verwundert um, als die Tür aufgerissen wurde. Betty kam herein. Sie trug den alten, schäbigen Pelzmantel, mit dem sie in Hamburg an Bord gekommen war. Allen Schmuck, alle Kleider hatte sie in ihrem Salon zurückgelassen. Sie sah wieder aus wie ein Mädchen aus St. Pauli.
    »Wer sind denn Sie?« fragte Barthels.
    »Betty Kahrmayr. Ich nehme an, daß Sie mich suchen.«
    »Sie? Nee! Warum denn?«
    »Ich gehöre zu den Leuten, die Sie suchen oder schon haben. Und ich wußte, was an Bord war!«
    »Das ist ja toll!«
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