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Auf nassen Straßen

Auf nassen Straßen

Titel: Auf nassen Straßen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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daran. Aber ihr Unglück ist es, arm zu sein! Sie kann nichts dafür, der Vater vielleicht auch nicht. – Wer kann in sein Schicksal eingreifen, wenn die Natur ihm nicht die Möglichkeiten gegeben hat, diese Schranken zu überspringen?« Er wollte näher an Hannes herantreten, um ihm die Hand auf die Schultern zu legen, aber der Bruder wich zurück. Jochen hob wieder die Schultern. »Du liebst sie …«
    »Darüber spreche ich nicht mit dir. Du trittst alles in den Dreck mit deinem kühlen Verstand!«
    »Denkst du daran, was in zwei oder drei oder fünf Jahren sein wird? Wovon wollt ihr leben, wenn euch der Kahn unter dem Hintern zusammenbricht? Willst du Schauermann werden? Hafenarbeiter, der zehn Stunden am Tage Säcke und Kisten schleppt und am Abend zu müde ist, seine junge Frau mit ehelichen Pflichten zu unterhalten?«
    »Du bist ein Schwein!«
    »Ich bin ein nüchterner Rechner. Männer, die keine anderen Möglichkeiten sehen, etwas zu werden, sollten Geld heiraten. Das ist das Geheimnis vieler Millionäre, die ihre Frauen zu Hause lassen, um sich mit ihren Sekretärinnen zu amüsieren.«
    Hannes Baumgart wandte sich ab. »Es ist besser, du gehst schon morgen von Bord.«
    »Als wenn ich der Satan persönlich wäre!«
    »Du bist es! Ich liebe Irene …«
    »Das hindert dich nicht, eine reiche Frau zu nehmen. Liebe und Geschäft sind zwei grundverschiedene Dinge.«
    »Du bist ein Lump!«
    »Und du ein Idiot!«
    Sie standen sich plötzlich gegenüber. Ihre Augen waren hart, die Gesichter verschlossen und kantig. Jetzt sah man trotz der Verschiedenheit ihrer Kleidung die Gleichheit ihrer Abstammung. Zwei Baumgarts, groß, stark, mit nach vorn gesenktem Kopf – wie zwei Stiere, die den Boden unter sich zerstampfen und zum Angriff übergehen.
    »Du gehst noch heute nacht!« sagte Hannes leise. Sein Atem flog.
    »Um das Bett für deine Irene zu räumen?«
    Hannes schlug zu. Er traf die Schulter des Bruders, die Jochen vorschob, um den Schlag abzufangen. Dann hielten sie sich umfangen, rangen miteinander, stießen mit den Köpfen zueinander und drängten sich an den schmalen Bordsteg, dem Wasser entgegen.
    »Ich ersäufe dich!« keuchte Hannes. Er drückte Jochen von dem Ladebunker weg. »Du Schwein, du. Du Aas!«
    Aus der Kajüte trat der alte Baumgart. Er sah die ringenden Schatten an der Bordwand und warf seine Pfeife auf die Planken. Mit schnellen Schritten rannte er auf die Kämpfenden zu, hob die Hand und ließ sie klatschend, wahllos hin und her schnellend, auf die Gesichter der ringenden Brüder fallen.
    Er schlug wortlos zu, mit zusammengebissenen Zähnen. Er trieb sie vom Ladebunker weg nach hinten auf den freien Platz vor das Ruderhaus und ließ die Hände erst sinken, als die Brüder nebeneinander standen und ihre Köpfe wehrlos unter seinen Schlägen hin und her pendelten.
    »Meine Söhne!« keuchte der alte Baumgart. Er faßte sich an das Herz, aber er taumelte nicht und trat sogar einen Schritt zurück, als Jochen ihm helfen wollte. »Das sind meine Söhne! Zwei Bestien, die sich gegenseitig umbringen wollen! Brüder! Ein Fleisch und Blut! Für so etwas habe ich mein ganzes Leben lang geschuftet, um Schufte großzuziehen!«
    »Er hat Irene beleidigt, Vater!«
    »Dafür mordet man nicht!«
    »Er hat uns alle beleidigt! Auch dich und Mutter …«
    »Mutter nicht«, sagte Jochen dumpf. Die Schläge des Vaters brannten auf seinem Gesicht. Er hatte das Empfinden, daß es anschwoll und aufquoll wie ein Ballon, den man langsam aufbläst.
    »Ich gehe sofort!« Jochen warf den Kopf in den Nacken. »Aber ihr hört noch von mir!«
    »Hoffentlich nicht!« schrie Hannes Baumgart. Der alte Schiffer schlug wieder zu.
    »Wo willst du hin?«
    »Das geht euch nichts mehr an!« Jochen wischte sich die Haare aus der Stirn. Seine Wangen waren heiß von den Schlägen. »Wenn ich diesen Kahn verlasse, habe ich keinen Vater und keinen Bruder mehr! Ich komme auch ohne euch durch die Welt.«
    »Als Gauner!«
    »Das kann euch gleichgültig sein! Doch bevor ich gehe, sollt ihr wissen, daß ich euch hasse! Euch alle!«
    »Geh!« stieß der alte Baumgart zwischen zusammengepreßten Zähnen hervor.
    »Ich will zu Mutter und ihr Adieu sagen!«
    Der alte Schiffer vertrat Jochen den Weg. »Du gehst so! Erspare deiner Mutter den Anblick eines Lumpen! Ich werde ihr sagen, daß du gegangen bist.«
    »Aus dem Weg!« Jochen brüllte und faßte den Vater. Der alte Baumgart sah mit starren Augen zu Jochen empor.
    »Willst du deinen Vater
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