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Auf nassen Straßen

Auf nassen Straßen

Titel: Auf nassen Straßen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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unrasiert. Der alte Baumgart blieb stehen, als Jochen ihm entgegentrat.
    »Warst du auf dem Schiff?«
    Jochen schüttelte den Kopf. »Ich wollte vermeiden, daß mein Bruder Hannes wieder Tötungsgelüste bekommt.«
    Er sprach arrogant, abgehackt, so, als sei es unter seiner Würde, mit dem alten Mann zu sprechen. Peter Baumgart betrachtete seinen großen Sohn. Dann griff er in die Tasche und hielt ihm die drei Bündel Hundertmarkscheine hin. Er preßte so fest die Faust darum, daß die Geldscheine zerknittert an den Seiten hervorquollen.
    »Nimm!« sagte er hart.
    Jochen starrte auf die Geldscheine. »Was soll das, Vater?«
    »Nimm. Es gehört dir!«
    »Mir?«
    »Eine Anzahlung. Schuldengeld! Du wirst noch mehr bekommen – und dann will dich keiner mehr auf dem Schiff sehen! Auch Mutter nicht!«
    Jochen Baumgart senkte den Kopf. Er verstand. Man zahlte ihn aus, man jagte ihn weg. So wenigstens sah er es. Er hielt die Hand auf und ließ sich die drei Bündel geben. Ohne nachzuzählen, stopfte er sie in seine Jackentasche.
    »Eine Quittung?« fragte er anmaßend.
    »Ja«, sagte der alte Baumgart hart. »Ich möchte vermeiden, daß du später behauptest, du habest die 3.000 DM nicht bekommen …«
    Der alte Baumgart hatte sich abgewandt und ging ruhigen Schrittes zu den Kais. Er sah sich nicht mehr um.
    Jochen Baumgart sah dem nach vorn gebeugt gehenden Vater nach. Auflehnung und Zorn quollen in ihm empor.
    Er faßte in die Tasche.
    Eine Handvoll Geld. Geld! Das einzige Wort, das alle Türen öffnet.
    Mit 3.000 DM in der Tasche ist man zwar kein Krösus, der sich die Welt erobern kann – man darf sie sich höchstens ansehen und sich Gedanken machen, wie man zu mehr Geld kommt …
    Aber Jochen Baumgart genügte das Geld. Er trug in seiner Tasche eine Adresse, die mehr wert war als alle Hypotheken, die sein Vater auf den alten Kahn aufnehmen konnte. Eine Anschrift, die ihm ein Mitstudent gegeben hatte als Gegengabe für die Adresse eines Mädchens in München, die man die ›Muse der Studenten‹ nannte … Damals ahnte er noch nicht, wie wichtig gerade diese Adresse des jungen Mitstudenten eines Tages für ihn sein würde, eine Adresse, die sich las wie eine Alltagsanschrift: Paul Meyer, Duisburg-Homberg, Panamastraße 17, Telefon 94 67 92.
    Nachdem er eine Kleinigkeit gegessen und ein Bier getrunken hatte, ging er in die Telefonzelle des Restaurants und drehte die Nummer. Es knackte, er hörte drüben das Rufzeichen herausgehen und lächelte, als sich eine Mädchenstimme meldete.
    »Bei Meyer.«
    »Diplom-Volkswirt Baumgart. Ist Herr Meyer zu sprechen?«
    »Herr Meyer ist noch nicht zu Hause. Kann ich etwas bestellen?«
    Baumgart zögerte. »Nein – doch, halt! Sagen Sie Herrn Meyer bitte, ich würde heute abend kommen. Sonst nichts.«
    Das Mädchen bei Meyers schien zu nicken. »Wie war Ihr Name noch, mein Herr?«
    Jochen grinste und legte auf. Lassen wir den Herrn Meyer schmoren. Er wird sich Gedanken machen, woher ein fremder Mann weiß, daß er sich abends einladen kann.
    Er sah auf die Uhr und beeilte sich, in ein großes Kaufhaus zu kommen. Dort besorgte er sich einen Smoking und alles, was dazu gehörte, ließ es hinüber in sein Hotel schicken und bummelte durch den warmen. Sommerabend den Rhein entlang, setzte sich an das Ufer auf eine weißlackierte Bank und fand, daß er den Tag gut verbracht hatte.
    Das Haus des Herrn Paul Meyer in Duisburg-Homberg lag in einem großen, alten, verwilderten Park mit hohen Eichen und düsteren Blautannen, zwischen denen die Rosenrabatten verkümmerten und nach Licht und Luft schrien.
    Jochen Baumgart läutete und bewunderte die Tür, die den Bau verschloß. Bronzetüren – wie vor einem Dom! Oder wie vor einer Festung. Uneinnehmbar, unauframmbar.
    Er wartete. Dann läutete er noch einmal. Er ließ den Finger diesmal länger auf dem eloxierten Klingelknopf. Über sein Gesicht zog ein hartes Lächeln. Natürlich, dachte er. Ich bin ein ungebetener Gast. Vielleicht gibt es auch ein Klingelzeichen – doch das stand nicht auf der Adresse.
    Er knöpfte seinen Mantel über dem Smoking auf. Es war eine warme Nacht, drückend und schwül, als käme ein Gewitter.
    Er läutete noch dreimal, das letztemal hielt er den Finger so lange auf dem Klingelknopf, bis sich die schwere Bronzetür öffnete. Ein Mann in einem Smoking stand im Türrahmen und füllte ihn aus.
    Drei Zentner, dachte Jochen und verbeugte sich lächelnd. Knapp, militärisch kurz.
    »Baumgart«, stellte er sich
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