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Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt

Titel: Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt
Autoren: Giovanni di Lorenzo Helmut Schmidt
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zu Hause.
    Was zeigt es?
    Einen sehr bunten Gockel.
    Können Sie mit den Exponaten einer Documenta etwas anfangen?
    Wahrscheinlich nicht. In meiner Kanzlerzeit bin ich ein-, zweimal zur Documenta nach Kassel gefahren. Dann habe ich das aus dem Auge verloren.
    Konnten Sie mit der Kunst eines Joseph Beuys etwas anfangen?
    Nein.
    Warum nicht?
    Weiß ich nicht.
    Haben Sie nie versucht, Künstler zu verstehen, die lange vor oder eben auch nach den Expressionisten malten?
    Zu verstehen schon, aber sie sind nicht zu meinen Lieblingen geworden. Wohl aber der Spanier Francisco José de Goya, der Engländer William Turner, auch die deutsche Romantik.
    Gibt es ein Bild, das Sie emotional besonders berührt hat, als Sie es zum ersten Mal sahen?
    Ja, das war ein El Greco. Das muss 1948 gewesen sein. Ich war zu einem Kurzbesuch in London, knapp 30 Jahre alt, und ging in die National Gallery. Da war ein großer Saal mit allen möglichen Schinken aus der frühen Neuzeit Europas. Plötzlich hing dazwischen ein ganz modernes Bild. Ich war fasziniert von diesem Künstler. Der Name El Greco war mir nicht geläufig; seither gehört er aber zu meinen Lieblingen.
    Gehen Sie immer noch in Museen?
    In New York gehe ich immer ins Metropolitan Museum of Art, und zwar nur, um das einzige Landschaftsbild zu sehen, das El Greco gemalt hat: »Gewitter über Toledo«, ein wunderschönes Bild. Als ich das letzte Mal diesen Greco sehen wollte, war er leider Gottes ausgeliehen nach Wien, und ich war tief enttäuscht. Ich bin dann in das gegenüber gelegene Haus gegangen, wo zwei Österreicher ausgestellt waren, Egon Schiele – und wie heißt der andere?
    Gustav Klimt?
    Genau, die waren da ausgestellt. Beide haben mich sehr fasziniert. Würde ich mir aber nicht kaufen.

    21. Juni 2007

[ Inhalt ]
    »Die SPD:
allzu prinzipientreu«
    Über das Notwendige in der Politik
    Lieber Herr Schmidt, tut es Ihnen nicht in der Seele weh, wenn Sie sehen, wie Ihre SPD zwischen CDU und der Linken zerrieben wird?
    Die SPD muss man nicht bedauern, sie wird nicht zerrieben. Die CDU steht in Meinungsumfragen heute relativ gut da, aber ich habe noch nie viel auf Umfragen gegeben. Wenn Sie sich Frau Merkel wegdenken, dann sieht die Union ganz anders aus. Die Sozialdemokraten leiden nicht zuletzt darunter, dass sie am laufenden Band ihre Führer gewechselt haben.
    Sie meinen ihre Vorsitzenden.
    Ein Vorsitzender sitzt da, ein Führer gibt seinen Leuten den Weg vor. Ich weiß, in Deutschland darf man das Wort nicht verwenden, jedenfalls die nächsten 30 Jahre noch nicht. Es ist aber ein auch in anderen Sprachen notwendiges Wort.
    Ist es für die Sozialdemokratie nicht ein Unglück, dass eine starke Partei links von der SPD entstanden ist?
    Wo es Verhältniswahlrecht gibt, dort entstehen zwangsläufig linksextreme und rechtsextreme Parteien. Das sehen Sie in Italien, in Frankreich, in Holland und jetzt auch in Deutschland. Die Parteien in der Mitte zwingtes dazu, sich zusammenzuraufen, ob das große Koalitionen sind oder halb große oder halb starke.
    Man hat immer gedacht, in Deutschland käme eher eine starke Rechte auf.
    Ja, weil manche Leute glauben, der Faschismus sei immer noch nicht ganz tot in Deutschland.
    Welche Fehler haben Sie und andere in der SPD gemacht, dass zweimal im Milieu der Sozialdemokratie Parteien entstehen konnten, die der SPD an die Substanz gehen – erst die Grünen, jetzt die Linke?
    In Deutschland denkt man gerne grundsätzlich. Und wenn man grundsätzlich denkt, dann will man keine Kompromisse machen. Also muss man sich nicht wundern, wenn so ein ganz Grundsätzlicher sagt: »Dann gründe ich meinen eigenen Verein.« Und umgekehrt: Je prinzipienloser eine politische Partei ist, desto weniger muss sie Angst vor Abspaltungen haben.
    Wollen Sie im Ernst sagen: Die SPD wird zerrieben, weil sie so prinzipientreu ist?
    Die SPD wird nicht zerrieben, diesen Wunschtraum habe ich schon oft gehört. Sie ist weder 1919 zerrieben worden, noch war sie 1945 verschwunden, als die Nazis weg waren: Da war die SPD gleich wieder da. Aber sie war eben sehr prinzipientreu – ganz anders als die CDU unter Adenauer. Vielleicht war sie etwas zu prinzipientreu.
    Und heute?
    Einige SPD-Wähler möchten an Regeln festhalten, dienicht mehr realistisch sind. Sie möchten an dem Wohlstand festhalten, den ihnen der Sozialstaat verschafft hat. Dass die Welt sich ändert und dass wir Deutschen viel älter werden als früher, dass das Renteneintrittsalter steigen muss, schafft
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