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Auf doppelter Spur

Auf doppelter Spur

Titel: Auf doppelter Spur
Autoren: Agatha Christie
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du in Wilbraham Crescent herumwandertest, Colin? Hattest du ein bestimmtes Ziel?«
    »Ja, ich suchte Nr. 61 – und konnte das Haus nicht finden. Ob die Hausnummer gar nicht existiert?«
    »Doch. Es geht wohl bis 88.«
    »Aber Dick, als ich bei 28 war, hörte Wilbraham Crescent einfach auf.«
    »Es verwirrt Fremde immer wieder. Wenn du rechts in die Albany Road eingebogen wärst und dann wieder rechts, wärst du auf der anderen Seite von Wilbraham Crescent herausgekommen. Die Häuser sind nämlich Rücken an Rücken gebaut. Die Gärten stoßen aneinander.«
    »Ach so«, sagte ich. »Jedenfalls gibt es also Nr. 61. Hast du eine Ahnung, wer dort wohnt?«
    »Nr. 61? Warte mal… ja, das wird Bland, der Architekt, sein.«
    »Oje«, meinte ich, »das ist schlecht. Es sei denn… ist er vielleicht gerade erst hergezogen – hat erst hier angefangen?«
    »Ich glaube, Bland ist hier geboren. Jedenfalls ein Einheimischer – seit Jahren im Geschäft. Baut die Sorte Häuser, die ganz ordentlich aussehen, bis man darin wohnt; dann fällt alles zusammen, oder nichts funktioniert. Aber er kommt immer noch gerade damit durch. Wieso…«
    »Gib’s auf, etwas aus mir herauszulocken, Dick. Der Mann, den ich suche, dürfte höchstwahrscheinlich eine Säule der Rechtschaffenheit sein.«
    »Vor einem Jahr fiel Bland ein Haufen Geld in den Schoß – genaugenommen seiner Frau. Sie ist Kanadierin, kam während des Krieges her und lernte Bland kennen. Ihre Familie wollte nicht, dass sie ihn heiratete, und sagte sich mehr oder weniger von ihr los. Dann starb im vorigen Jahr ein Großonkel; sein einziger Sohn war bei einem Flugzeugunglück ums Leben gekommen. Dies und die Todesfälle während des Krieges führten dazu, dass Mrs Bland als einzige von der Familie übrigblieb. So hinterließ er ihr sein Geld. Rettete Bland gerade vor dem Bankrott, glaube ich.«
    »Du scheinst viel über Mr Bland zu wissen.«
    »Oh – weißt du, das Finanzamt ist immer interessiert, wenn ein Mann plötzlich über Nacht reich wird. Es wollte wissen, ob er vielleicht eine dunkle Vergangenheit hat – aber es war alles in Ordnung.«
    »An einem Mann, der plötzlich reich wurde, bin ich jedenfalls nicht interessiert«, erklärte ich.
    »Du hast aber so einen Fall gehabt, nicht?«
    Ich nickte.
    »Und fertig damit? Oder – noch nicht?«
    »Das ist eine ziemlich lange Geschichte«, sagte ich ausweichend. »Bleibt es dabei, dass wir heute Abend zusammen essen – oder fällt es wegen dieser Sache aus?«
    »Nein. Jetzt muss erst einmal der Apparat angekurbelt werden. Wir müssen alles über Mr Curry herausfinden. Aller Wahrscheinlichkeit nach werden wir eine ziemlich genaue Vorstellung haben, wem er im Wege war, wenn wir wissen, wer er ist und was er machte… Hier sind wir.«
    Das Cavendish-Sekretariats- und Schreibbüro lag in der Haupteinkaufsstraße. Hardcastle und ich gingen die vier Stufen empor, durch die offenstehende Haustür, und befolgten dann die Anweisung an der Tür rechts, die uns zum Eintreten aufforderte. Drei junge Frauen tippten fleißig in einem geräumigen Zimmer. Die eine, die an einem Tisch mit Telefon direkt gegenüber der Tür saß, unterbrach ihre Arbeit und sah uns fragend an: »Was kann ich für Sie tun?«
    »Miss Martindale?«, fragte Hardcastle.
    »Ich glaube, sie telefoniert gerade.« In diesem Augenblick knackte es, und das Mädchen nahm den Hörer ab und sagte: »Zwei Herren möchten Sie sprechen, Miss Martindale.« Sie sah uns an und fragte: »Darf ich um Ihre Namen bitten?«
    »Hardcastle«, sagte Dick.
    »Ein Mr Hardcastle, Miss Martindale.« Sie legte auf und erhob sich. »Hier entlang, bitte«, sagte sie und ging zu einer Tür, an der auf einem Messingschild MISS MARTINDALE stand. Sie öffnete die Tür, lehnte sich mit dem Rücken dagegen, um uns durchzulassen, und meldete: »Mr Hardcastle.« Dann schloss sie die Tür wieder hinter uns.
    Miss Martindale saß an einem großen Schreibtisch. Sie war eine tüchtig aussehende Frau von etwa fünfzig Jahren. Sie schaute von einem zum andern.
    »Mr Hardcastle?«
    Dick nahm eine seiner offiziellen Visitenkarten und gab sie ihr. Miss Martindales rötliche Augenbrauen schoben sich überrascht und leicht missbilligend in die Höhe.
    »Inspektor Hardcastle? Was kann ich für Sie tun, Inspektor?«
    »Ich komme wegen einer kleinen Auskunft, Miss Martindale. Ich glaube, Sie werden mir helfen können.«
    Aus seinem Ton schloss ich, dass Dick es auf Umwegen und mit Charme versuchen wollte. Ich
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