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Auf die Ohren

Auf die Ohren

Titel: Auf die Ohren
Autoren: Jochen Till
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Geliebte. Die spätere Frau Hitler.«
    »Eva Braun! Genau! So hieß die! Das wusste ich. Ich hatte es nur irgendwie vergessen.«
    »Ja, wie leider so vieles, wenn es um Geschichte geht«, sagt Clarissa.
    »Hey, ich habe immerhin gewusst, wie Hitlers Hund hieß. Und das, ohne zu wissen, dass er überhaupt einen Hund hatte. Das muss mir erst mal einer nachmachen.«
    »Allerdings, das kriegen sicher nicht viele hin«, kichert Clarissa. »Du bist ein wahres geschichtliches Wunderkind.«
    »Jawohl, das bin ich«, sage ich. »Und zur Belohnung für seine phänomenale Gedächtnisleistung musst du das Wunderkind jetzt küssen! Sofort!«
    »So, so«, sagt sie und lächelt verschmitzt. »Das Wunderkind findet also, es hat eine Belohnung verdient? Na gut, wenn das so ist.«
    Sie legt das Geschichtsbuch zur Seite, dreht sich zu mir und küsst mich einmal zärtlich. Als sich ihre Lippen von meinen lösen, schaut sie mir tief in die Augen.
    »Weißt du was, Danny Kleinschmidt?«, wispert sie. »Ich liebe … meinen Kaffee ohne Milch, aber mit viel Zucker. Machst du mir bitte einen? Und dann wird fleißig weitergelernt!«
    Sie grinst mich mehr als breit und mit dem genüsslichen Wissen an, dass ihre kleine Gemeinheit mich voll erwischt hat – für einen winzigen Moment dachte ich tatsächlich, sie würde es sagen.
    »Oh, das war fies!«, beschwere ich mich, muss dabei aber lachen. »Das war oberoberfies!«
    »Na los, worauf wartest du noch?«, sagt sie und gibt mir einen Klaps auf den Oberschenkel. »Ist es etwa zu viel verlangt, dass du deiner Freundin einen Kaffee kochst? Ich denke, du liebst mich?«
    »Fiese Freundin«, sage ich und schiebe mich vom Bett. »Ganz, ganz fiese, hinterhältige, gemeinste und bösartigste Freundin der Welt.«
    Gott, wie ich diesen wundervoll fiesen schwarzen Engel liebe – aber das werde ich ihr heute ganz bestimmt nicht noch einmal sagen.

3.
    »Der Binomialkoeffizient ist eine mathematische Funktion der Wahrscheinlichkeitsrechnung. Er gibt an, auf wie viele unterschiedliche Arten man k Objekte aus einer Menge von n verschiedenen Objekten auswählen kann. Der entsprechende Versuch wird ohne Zurücklegen und ohne Beachtung der Reihenfolge durchgeführt.«
    Ja, vielen Dank auch, Herr Knipfer, das musste ich jetzt noch unbedingt wissen, damit ich es gleich wieder vergessen kann. Ich meine, mal im Ernst, was soll das? Wir haben das Abi quasi hinter uns, die Luft ist komplett raus und er macht tatsächlich ganz normal Unterricht nach Vorschrift. Glaubt er etwa wirklich, dass sich zu diesem Zeitpunkt im allerletzten Schuljahr noch irgendein Schwein für Wahrscheinlichkeitsrechnung interessiert?
    Ausgerechnet Wahrscheinlichkeitsrechnung. Das waren in der Abi-Klausur genau die zwei Aufgaben, die mir die Note versaut haben. Okay, ich habe es immerhin trotzdem auf sieben Punkte gebracht, was sieben Punkte mehr sind, als die Mathematik jemals von mir zu erwarten hatte. Und das ist einzig und allein Clarissas Verdienst. Dank ihrer Nachhilfe habe ich mich im letzten Jahr in Mathe vom absoluten Loser zum mittelprächtigen Durchschnittsschüler entwickelt – quasi ein Quantensprung für mein mathematisch unterbelichtetes Gehirn. Wenn Clarissa mir etwas erklärt hat, habe ich es plötzlich viel besser verstanden, danach erschien mir selbst der wildeste Zahlensalat auf einmal viel logischer. Bis die Wahrscheinlichkeitsrechnung kam, da habe ich dann selbst unter ihrer Anleitung überhaupt nichts mehr kapiert. Das ist alles so unlogisch, da wird geraten und geschätzt und vermutet, das hat doch mit Mathematik nichts zu tun, zumindest für mich nicht. Eigentlich dachte ich ja, dass die Wahrscheinlichkeit, mich nach der Abi-Klausur jemals wieder damit beschäftigen zu müssen, gleich null wäre, aber da habe ich mich offenbar gründlich verschätzt.
    »Binomialkoeffizienten spielen in der abzählenden Kombinatorik eine wichtige Rolle. Kann mir jemand ein praktisch anzuwendendes Beispiel dafür nennen?«
    Thomas’ Finger schnellt nach oben.
    Ach, stimmt ja, ich muss mich korrigieren. Bei meiner Aussage, kein Schwein interessiere sich mehr für Wahrscheinlichkeitsrechnung, habe ich ein Schwein außer Acht gelassen – unsere stets nach Zahlen, Variablen und deren Zusammenhängen schnüffelnde mathematische Trüffelsau Thomas. Gott, was hat mich dieser schmierige kleine Besserwisser die letzten drei Jahre lang genervt. Nicht persönlich, nicht aktiv, aber allein seine schleimige Stimme löst bei mir schon heftige
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