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Auf der Spur des Hexers

Auf der Spur des Hexers

Titel: Auf der Spur des Hexers
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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voller Wildheit und Zorn, dass nicht nur Andara sich wie unter Schmerzen krümmte und die Hände gegen die Schläfen presste.
    Seine Augen quollen vor Entsetzen aus den Höhlen, als er sah, was das Meer da ausspie.
    Beim ersten Mal hatte er nur einen Schatten gesehen, einen Koloss von entsetzlichen Ausmaßen und Formen, trotzdem barmherzig hinter einem Schleier aus Dunst und flackerndem rotem Licht verborgen, sodass ihm die ganze Scheußlichkeit des Anblickes erspart geblieben war. Jetzt war er ihm nahe.
    Es war ein Titan. Ein Ungeheuer von jeder Beschreibung spottender Größe und Hässlichkeit, riesig und wabernd, ein Ding ohne feste Konturen, wie ein Nest schwarzer, sich beständig windender Schlangen, ein kriechendes, zuckendes Etwas aus faulendem schwarzem Schleim und Bosheit, mit gigantischen peitschenden Krakenarmen, von denen jeder einzelne wiederum aus zahllosen dünnen Fäden gewoben schien, schwarzglitzernden Nerven gleich und mit Dutzenden von schnappenden Mäulern. Ein einzelnes, gelb lohendes Auge starrte auf Andara herab, erfüllt von einer Bosheit, die ihn aufschreien ließ.
    »Der Bann!« kreischte H.P. In seiner Stimme war nun wirkliche Panik. »Roderick! Wehr dich!«
    Nur mit äußerster Mühe gelang es Andara, sich von dem entsetzlichen Anblick loszureißen. Taumelnd fuhr er herum, hob hilflos die Arme und starrte die kaum weniger schreckliche Szene am Ufer an.
    Aus der geordneten Reihe der Cthulhu-Anbeter war ein Chaos geworden. Männer und Frauen rannten kopflos durcheinander, schreiend, in heller Panik sich gegenseitig verletzend, waren zu Boden gestürzt und lagen verkrümmt wie übergroße Fötusse da, wahnsinnig vor Grauen und Angst, aber an einer Stelle wurde auch gekämpft: H.P.s Angriff hatte den hypnotischen Bann zerbrochen, den Necron über die Menge gelegt hatte, aber nicht vollständig. Fast ein Dutzend Männer attackierten H.P. und seinen riesenhaften Diener. Rowlfs gewaltige Fäuste flogen, und H.P. selbst versuchte die Angreifer mit dem Lauf seines Gewehres auf Distanz zu halten. Aber sie würden der Übermacht erliegen, in wenigen Augenblicken.
    Und wenn nicht ihr, dann dem schwarzen Giganten.
    »Roderick!«, schrie H.P. mit vor Verzweiflung überschnappender Stimme. »Ich flehe dich an, wehr dich! Vernichte ihn! WEHR DICH!!!«
    Und er tat es.
    Es war beinahe leicht. Plötzlich war es, als erwache nun auch in ihm etwas, eine Urgewalt, die von Anfang an in ihm gewesen war, eine Macht, die er nicht verstand, die aber ungeheuer war. Wie eine unsichtbare Faust schlug sie die Barriere beiseite, die Necrons Droge in seinem Geist errichtet hatte, wuchs und wuchs und wuchs und …
    … und endlich begriff er.
    Der Kreis schloss sich.
    Für den Bruchteil einer Sekunde war er wieder in Jerusalem’s Lot, erlebte er noch einmal das qualvolle Sterben der Stadt, spürte er noch einmal die Angst ihrer Bewohner, ihr ungläubiges Entsetzen, als sie begriffen, dass dies das Ende war, dass sie sterben mussten, ohne auch nur zu wissen, warum, fühlte er noch einmal die Wut der aufgepeitschten Menge, ihren Blutdurst und ihren sinnlosen, rasenden Zorn.
    Und das, was sie beherrschte.
    Necron.
    Es war Necron.
    Die Macht, die die Menschen hier in der Grotte beherrschte und die, die den tobenden Mob von Jerusalem’s Lot gelenkt hatte, war die gleiche.
    Es war Necron.
    Das Ende von Jerusalem’s Lot war sein Werk gewesen.
    Er, den sie gerufen hatten, um sie zu retten, war es gewesen, der ihnen den Tod brachte.
    »Du!«, sagte er ungläubig.
    Und obwohl er nur geflüstert hatte, das Wort nur ein Hauch war, der voller ungläubigem Entsetzen von seinen Lippen kam, erstarrte Necron. Seine Augen weiteten sich, als sein Blick dem Andaras begegnete. Als er begriff, dass Andara es wusste.
    »Du!«, flüsterte Andara erneut. »Du warst es, der …«
    Dann kam der Zorn. Dem Begreifen der Tatsachen folgte Hilflosigkeit und Ohnmacht und dann Zorn, ein so ungeheuerlicher, brennender Zorn, dass er fast selbst vor der Intensität des Gefühles erschrak.
    Der Mann, den seine Mutter und alle anderen für ihren Verbündeten gehalten hatten, war ihr Henker gewesen. Er war für den Untergang der Stadt verantwortlich, für den Tod aller, aller außer Andara und Jenny und vielleicht zwei, drei Glücklicher, die der tobende Mob übersehen hatte. Er war verantwortlich für alles – für die entsetzliche Hetzjagd, die begonnen hatte, für Jennys Tod, für das Leben als gejagtes Tier, zu dem sie gezwungen worden waren,
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