Auf dem Weg zu Jakob
will er sich bei der nächsten Gelegenheit einen neuen kaufen, aber den alten als Andenken behalten.
Außerhalb dieses Dorfes ist der Wanderweg abseits der Straße neu angelegt bzw. gepflastert worden. Er sieht sehr verlockend aus, aber ich bleibe auf der Straße, wie die Franzosen es mir geraten haben.
Langsam hört es auf zu regnen. Es ist auch insgesamt etwas heller geworden, obwohl die Wolkendecke immer noch geschlossen ist. Nach einer Weile geht es wieder bergauf. Das muss jetzt der 801 m hohe Erro-Pass sein. Gestern im Taxi hatte ich kaum bemerkt, dass wir so viele Windungen bergab gefahren waren, die ich jetzt hinaufstrampeln muss. Selbst in den ganz kleinen Gängen komme ich abschnittsweise kaum richtig voran. Hin und wieder muss ich absteigen und verschnaufen.
Oben angekommen, würde ich mich gerne einen Moment irgendwo hinsetzen und ausruhen, aber eine ganze Busladung Kinder macht hier ihre Mittagspause und hat alles nur erdenklich Sitzbare unter ihre Popos genommen. Ich schnappe mir meine Trinkflasche und schlendere etwas umher. Die Schüler haben nicht nur ihre Lehrer dabei, sondern es reist auch noch ein Pfarrer mit. Wahrscheinlich befahren sie auch den Camino nach Santiago. Keine schlechte Idee für eine Klassenreise.
Vor hier aus dürfte der Rest nach Pamplona mehr oder weniger bergab gehen. Ich freue mich, den wohl schwierigsten Teil der Tagesetappe heil gemeistert zu haben und gelobe mir, den Rest auch noch zu bewerkstelligen. Ich schwinge mich wieder auf mein Rad und es rollt gut. Auch das Wetter bessert sich zunehmend.
Bald erreiche ich Zubiri. Hier soll es eine gotische Brücke über einen Fluss geben, der angeblich Tollwut heilen kann. Man glaubt auch, dass Reste des heiligen Quiteria bei der Brücke begraben liegen. An einer Tankstelle gibt es bestimmt Wasser, Schwamm oder Bürste und es wird höchste Zeit, das Rad zu säubern, denn der Lehm hat inzwischen begonnen, sich zu verfestigen. Ist er einmal hart, wird es schwierig sein, ihn loszuwerden.
Ich gehe hinein und frage so gut ich kann nach Wasser zum Fahrradwaschen und erhalte einen Schlüssel, komplizierte Anleitungen, welche Hähne in welche Stellung zu bringen sind, wo der Schlauch anzuschließen ist, und, ich bin perplex, es funktioniert. Der harte Wasserstrahl spült den Lehm fort. Ich reinige auch meine Stiefel und löse das Gröbste von den Packtaschen. Meine Klamotten werde ich in Pamplona waschen müssen. Ich kaufe noch ein paar Snacks und fahre weiter.
Bald komme ich an einer großen Magnesiumfabrik vorbei. Es staubt und ich trete schneller, um dieses Monster möglichst schnell zu passieren. Hier möchte ich nicht arbeiten müssen. Die Fabrik ist der größte Arbeitgeber in der Region. Ansonsten ist hier in den Bergen nicht viel, außer Forstwirtschaft wird ein wenig Wiesen- und Landwirtschaft mit Anbau von Mais und Zuckerrüben betrieben, meist in Verbindung mit Viehwirtschaft.
Navarra
Was ist das eigentlich für eine Region, durch die ich radle? Navarra, früher einmal unabhängiges Königreich, ist heute eine autonome Provinz in Nordspanien. Sie ist naturräumlich grob in drei Teile zu unterteilen: die Bergregion, zu der das feuchte Navarra, die Pyrenäentäler und die vorpyrenäischen Flussbecken zählen, die mittlere Region mit der Tierra Estella und das östliche Mittelnavarra mit den Flusslandschaften, der Ribera.
Die Bergregion, in der ich mich gerade befinde, liegt im Norden und wird nach Süden u.a. durch die mit Windkraftwerken bestandene Bergkette des Perdón begrenzt, die ich bei meiner Landung schon vom Flugzeug aus gesehen habe. Der Klimatyp hier ist atlantisch. Die jährliche Niederschlagsmenge liegt durchschnittlich bei 1.400 mm, wobei in den höheren Lagen eher ein Wert von über 2.000 mm zutrifft (der Regen letzte Nacht war also durchaus nichts Ungewöhnliches), während bei Pamplona, ähnlich wie in deutschen Gefilden, nur um 800 mm Niederschlag pro Jahr fallen. Bei einer so hohen Wasserzufuhr führen die Flüsse in diesem Gebiet zu jeder Jahreszeit Wasser.
Die Temperatur liegt im Jahresdurchschnitt bei 10°C. Die gesamte Bergregion ist jedoch zu heterogen, um sie so einfach mit einem einzigen Durchschnittswert über einen Kamm zu scheren. Lautet allein der Durchschnittswert für Pamplona, das ja schon zu der vorpyrenäischen Flussbeckenlandschaft gehört, im Januar 4,8°C und im August 20,3°C, so bedeutet dies durchaus, dass an über 40 Tagen im Jahr Frost herrscht, und man im Sommer
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