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Auf dem Weg zu Jakob

Auf dem Weg zu Jakob

Titel: Auf dem Weg zu Jakob
Autoren: Karin Adams
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nicht, was ich zuerst machen soll: zu Hause anrufen, dass ich heil angekommen bin, duschen, die wuselnde Plaza unten erkunden oder alles auspacken und meine Packtaschen umsortieren? Ich entscheide mich, erst einmal kurz runter zu gehen. Schließlich habe ich auch einen Mordsdurst und will eine Flasche Wasser besorgen. Es ist mittlerweile Mitternacht und der Alkoholgenuss zeigt bei dem einen oder anderen schon Wirkung. Gruppen junger Leute toben über den Platz und verschwinden in Seitenstraßen. Der Tag war zu lang und anstrengend, als dass ich mich jetzt im Gewirr der alten Gassen verlieren will, und so erkunde ich nur die Straße, zu der mein Zimmer heraus liegt: es ist tatsächlich die Estafeta ( Seite 66), die Straße, durch die während der berühmten Fiesta die Stiere zur unweiten Arena getrieben werden, jetzt ist es Mai, und der Zimmerpreis ist halbwegs akzeptabel für ein so zentral gelegenes Hotel. Im Juli, zur San Fermín Fiestazeit, ist locker der vier- bis fünffache Betrag zu zahlen, hat man doch eine private Aussichtskanzel auf das gefährliche Treiben.
    San Fermín (6. - 14. Juli) begann eigentlich als Gedächtnisfeier an den ersten Bischof Pamplonas. Heute ist es ein weltbekanntes Volksfest, zu dessen Bekanntheitsgrad nicht zuletzt auch Hemingway durch seinen weltbekannten Roman „Fiesta“ (1927) beigetragen hat. Das Volksfest San Fermín beginnt mit dem chupinazo, dem Startsignal. Am 7. Juli folgt eine Prozession. Jeden Morgen blasen die gaiteros zum Wecken, und dann folgen schon die berühmten encierros, bei denen junge Männer vor den Stieren laufen, die von den Stallungen durch die Stadt zur Stierkampfarena getrieben werden. Das eine oder andere Mal sind dabei schon Teilnehmer von den Stieren verletzt oder auch schon getötet worden. An den Nachmittagen gibt es Stierkämpfe ohne Ende bei denen der Stier stirbt, und nachts krachen Feuerwerke am Himmel, und jeder trinkt soviel er kann.
    Als ich ins Hotel zurückkehre, steht mein Mineralwasser bereits an der Rezeption. Nachdem ich etwas getrunken habe, rufe ich meinen Mann an. Er ist erleichtert, dass ich die Anreise unbeschadet überstanden habe.
    Es ist schon ein eigenartiges Gefühl, ganz allein hier zu sein, denn wir sind eigentlich immer zusammen in Urlaub gefahren. Und jetzt? Nun, ich wollte eben unbedingt mal gerne per Rad den alten Pilgerweg nach Santiago fahren, und er hasst lange Fahrradtouren und schläft nicht gerne in einem kleinen Zelt oder gar in Schlafsälen. Er hatte mir angeboten, mit unserem alten VW-Bus Begleitfahrzeug zu spielen. Er hätte dann auch mein Gepäck transportiert, und wir würden uns abends immer auf dem verabredeten Campingplatz getroffen haben, aber ich war der Meinung, dass das viel zu kompliziert würde. Es ist aber auch nicht meine erste Reise, die ich allein unternehme - als Schülerin und Studentin war ich ständig alleine unterwegs kreuz und Quer durch Europa und Amerika.
     
    Kurz vor acht öffne ich die hölzernen Fensterläden. Am Haus gegenüber hängt nicht nur Wäsche zum Trocknen, sondern auch ein Baskenbanner. Später sehe ich so eine Flagge noch an vielen anderen Häusern. Ich schaue vom Balkon hinunter in die menschenleere Straßenschlucht der Estafeta. War es in der Nacht warm und trocken, ist es heute bedeckt und es scheint sogar ein wenig zu nieseln. Aber wenigstens ist es dabei milde.
    Ich gehe in den Frühstücksraum und kann nicht fassen, was ich sehe. Es ist der pompöse Speisesaal, in dem auch Hemingways Romanheld Jake Barnes aus „Fiesta“ zu Abend isst. Ich kann mich gar nicht satt sehen an dem ganzen alten Prunk. In der Mitte des Speisesaals sitzt schon die Radfahrergruppe aus Kanada und frühstückt. Acht von ihnen waren gestern aus Roncesvalles runtergekommen, eine schöne und leichte Etappe, wie sie sagen, und sie wollen es innerhalb der nächsten zwei Wochen bis nach Santiago schaffen.
     
    Nach dem Frühstück mache ich mein Fahrrad startklar. Bevor ich mir ein Taxi besorge, schaue ich mich noch etwas in Pamplona um. Die Stadt ist am frühen Morgen wie ausgestorben, aber es nieselt wenigstens nicht mehr. Ich gehe zur Stierkampfarena, die sich Quasi am Ende der Estafeta befindet, wo Hemingway ein Denkmal gewidmet ist. Den Rest der Altstadt, die Kathedrale und was Pamplona sonst noch so zu bieten hat, werde ich mir anschauen, wenn ich übermorgen wieder mit dem Rad aus den Bergen hierher zurückkehren werde.
     
    Der freundliche Portier ruft mir ein Taxi. Nein, nicht irgend eines,
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