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Auch Pünktlichkeit kann töten: Crime Stories

Auch Pünktlichkeit kann töten: Crime Stories

Titel: Auch Pünktlichkeit kann töten: Crime Stories
Autoren: Agatha Christie
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Monsieur.«
    »In Bristol erschien die Zofe, Jane Mason, mit dem Kleingepäck meiner Tochter, das sie zu betreuen hatte, an der Tür von Flossies Abteil. Zu ihrem ungeheuren Erstaunen sagte ihr meine Tochter, daß sie in Bristol nicht aussteigen, sondern im selben Zuge weiterfahren werde. Sie wies Mason an, das große Gepäck zum Gepäckraum schaffen zu lassen und sich dann in den Erfrischungsraum zu setzen. Sie solle aber ja am Bahnhof auf ihre Herrin warten, die mit einem anderen Zug im Laufe des Nachmittags nach Bristol zurückkehren würde. Obgleich die Zofe höchst erstaunt war, befolgte sie genau alle Instruktionen. Sie brachte das Gepäck zum Gepäckraum und bestellte sich eine Tasse Tee. Ein Zug nach dem anderen lief ein, aber ihre Herrin erschien nicht. Nach Ankunft des letzten Zuges ließ Mason die Koffer beim Handgepäck und übernachtete in einem Hotel in der Nähe des Bahnhofs. Heute morgen las sie von der Tragödie und kehrte mit dem ersten Zug nach London zurück.«
    »Und Sie haben gar keine Erklärung für die plötzliche Änderung in den Reiseplänen Ihrer Tochter?«
    »Es könnte höchstens der Mann im Abteil gewesen sein. Nach Jane Masons Bericht war Flossie in Bristol nämlich nicht mehr allein im Abteil. Ein Mann stand am anderen Fenster und blickte hinaus. Da er ihr den Rücken zukehrte, konnte Jane Mason das Gesicht nicht sehen.«
    »Es war natürlich ein D-Zug-Wagen mit Gang, nicht wahr?«
    »Ja.«
    »Auf welcher Seite war der Gang?«
    »Nach dem Bahnsteig zu. Meine Tochter stand im Gang, als sie sich mit Mason unterhielt.«
    »Und Sie hegen keinen Zweifel daran, daß diese wahrscheinlich unerwartete Begegnung Ihre Tochter veranlaßt hat, andere Dispositionen zu treffen?«
    »Es scheint die einzig vernünftige Erklärung.«
    »Haben Sie keine Idee, wer der fragliche Herr gewesen sein könnte?«
    Der Millionär zögerte ein wenig, dann antwortete er:
    »Nein, das kann ich Ihnen nicht sagen.«
    »Nun – und wie war es mit der Entdeckung der Leiche?«
    »Sie wurde von einem jungen Marineoffizier gefunden, der sofort das Zugpersonal alarmierte. Unter den Mitreisenden befand sich ein Arzt, der die Leiche untersuchte. Es stellte sich heraus, daß meine Tochter zuerst chloroformiert und dann erstochen wurde. Nach seiner Ansicht war sie ungefähr vier Stunden tot. Es muß also kurz hinter Bristol passiert sein – wahrscheinlich zwischen Bristol und Weston oder auch zwischen Weston und Taunton.«
    »Und der Juwelenkoffer?«
    »Der Juwelenkoffer, Monsieur Poirot, war verschwunden.«
    »Noch eins, Monsieur. Wer erbt das Vermögen Ihrer Tochter?«
    »Flossie setzte kurz nach ihrer Heirat ein Testament auf, in dem sie alles ihrem Mann vermachte.« Nach einigem Zögern setzte er hinzu: »Ich muß Ihnen wohl sagen, Monsieur Poirot, daß ich meinen Schwiegersohn für einen charakterlosen Nichtsnutz ansehe und daß meine Tochter auf meinen Rat hin drauf und dran war, sich auf gesetzlichem Wege von ihm zu trennen, was keine Schwierigkeiten bot. Ich habe ihr Geld so festgelegt, daß er es zu ihren Lebzeiten nicht in die Hand bekommen konnte. Obgleich sie mehrere Jahre völlig getrennt gelebt haben, ist sie doch häufig seinen Geldforderungen nachgekommen, um einen öffentlichen Skandal zu vermeiden. Ich aber war die Sache leid und wollte diesem Zustand ein Ende machen. Schließlich hat Flossie sich damit einverstanden erklärt, und meine Rechtsanwälte hatten Instruktionen, das Verfahren einzuleiten.«
    »Und wo ist Monsieur Carrington?«
    »In London. Soweit ich unterrichtet bin, war er gestern auf dem Lande, ist aber abends wieder zurückgekehrt.«
    Poirot überlegte eine kleine Weile. Dann sagte er: »Ich glaube, das ist alles, Monsieur.«
    »Möchten Sie die Zofe, Jane Mason, sehen?«
    »Ja, bitte.«
    Halliday klingelte und ließ sie durch einen Diener rufen. Kurz darauf betrat Jane Mason das Zimmer – eine respektable Erscheinung mit etwas harten Zügen. Wie alle gutgeschulten Angestellten verriet sie angesichts der Tragödie keinerlei Gefühle.
    »Sie gestatten mir wohl, einige Fragen an Sie zu richten? War Ihre Herrin ganz so wie sonst, als sie gestern morgen aufbrach? Nicht aufgeregt oder beunruhigt?«
    »O nein, Sir.«
    »Aber in Bristol war sie ganz anders?«
    »Ja, Sir, regelrecht verstört – und so nervös, daß sie kaum zu wissen schien, was sie sagte.«
    »Können Sie mir ihre genauen Worte wiederholen?«
    »Soweit ich mich entsinnen kann, sagte sie: ›Jane, ich muß meine Pläne ändern. Es
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