Auch Deutsche unter den Opfern
Shooter«: Der Spieler kriegt eine Waffe in die Hand und muss
andere erschießen, um nicht selbst erschossen zu werden. Der nächste Film des
Regisseurs, »Robert Zimmermann wundert sich über die Liebe«, beginnt mit diesem
Spiel, die Jungs in dem Film haben es erfunden. Haußmann sitzt im Schneideraum, er
hat diese Jungs erfunden – und das Spiel natürlich auch.
Ja, sind denn solche Computerspiele nicht
gewaltverherrlichend, gewaltfördernd, rekrutieren sie nicht nächste U-Bahn-Schläger
oder Amokläufer? Nein, sagt Haußmann, in den besseren »Shooter«-Spielen gehe es
nicht ums Töten, sondern vorrangig um Taktik. Und Spaß. Die Erfinder dieser Spiele
seien große Künstler, noch ein paar Jahre, dann werde das auch endlich jeder
kapieren, hoffentlich. Er jedenfalls könne Eltern nicht begreifen, die stolz darauf
sind, diese Spiele nicht zu kennen. Diese Eltern, sagt der Regisseur und Vater,
würden nichtmal probieren, ihre Kinder zu verstehen.
Als sein 16-jähriger Sohn im Dezember von einer
Demonstration in Berlin Mitte kam und ihm die Augen tränten, erkundigte sich
Haußmann, was bitteschön vorgefallen sei.
Pfefferspray, böse Polizisten!
Soso, sagte Haußmann. Sein Sohn habe es ihm ungefähr so
geschildert, dass ein paar friedliche Demonstranten, allesamt im Grunde
Zen-Buddhisten, von faschistischen Polizisten eingekesselt und verprügelt worden
seien. Haußmann lacht, er war ja auch mal Sohn. Als Vater aber nun sagte er, wenn
das wirklich so war, ruf ich jetzt die Polizei an. Mach doch, entgegnete der Sohn.
Das alte Poker-Spiel also, dachteHaußmann – und rief die Polizei
an. Der Polizist am Telefon war sehr nett, sowieso, Haußmann mag die deutschen
Polizisten; natürlich gebe es auch unter ihnen, wie in jeder größeren Gruppe, ein
paar dumme oder sogar gefährliche, aber die meisten seien nette Familienväter in
Uniform, die zu hassen es keinen Grund gibt. Sein Sohn sah das bislang etwas anders,
er bezeichnet sich als Anarchist und tummelt sich bei Demonstrationen gern im
»Schwarzen Block«.
Wenn er zuhause Parolen höre, die er 30 Jahre lang in der
DDR gehört habe, reagiere er ziemlich allergisch, sagt Haußmann. Manchmal nehme er
es mit Humor, etwa wenn der Sohn beim Ausräumen der Geschirrspülmaschine verkünde,
er wolle nicht länger in dieser scheiß Gesellschaft leben, der Staat gehöre
abgeschafft, hinter dem Kapital stecke der Faschismus und umgekehrt. Stöpsele der
Sohn dann die iPod-Kopfhörer ins Ohr und höre Anarcho-Punk, sei das schon nicht ohne
Komik. Aber lachend erzieht man kein Kind, und Haußmann sagt auch, so leid es ihm
tue, er sei nun mal nicht der Kumpel seines Sohnes, sondern dessen Vater. Klüger
kann ein Vater sich kaum verhalten: Um seinem Sohn künftig Kontakt mit der Polizei
zu ersparen, lud er den Polizisten vom Telefon ein, mit seinem Sohn zu sprechen. In
der Medizin nennt man so etwas »aktive Immunisierung«: Dem Patienten (= Sohn) werden
abgeschwächte Erreger (= Polizisten in Zivil) verabreicht, damit das Immunsystem
spezifische Antikörper (= gesunder Menschenverstand) ausbildet.
Haußmanns Sohn hatte sich netterweise auch nicht
uniformiert, kam in buntfarbiger statt – wie sonst meistens – in schwarzer Kleidung.
Der Polizist hatte noch eine Kollegin mitgebracht, jung und hübsch, die beim
G8-Gipfel von Demonstranten attackiert und verletzt worden war. Da klangen die
Parolen dem Sohn plötzlich selbst etwas hohl, das Gespräch verlief freundlich. Sein
Sohn habe anschließend verkündet, er wolle nun nicht mehr beim »Schwarzen Block«,
sondern bei den »Hedonisten« mitdemonstrieren, den bunt angezogenen, die nur Quatsch
machen – da sei er auch besser aufgehoben, freut sich der Vater. Insgeheim hofft er,dass diese Anarchie-Phase genauso plötzlich vergehe wie die
Pokémon-Phase ein paar Jahre zuvor.
Haußmann lässt wieder ein paar Szenen seines Films laufen;
auf dem Bildschirm jetzt: Eltern, die aus dem Fenster guckend darauf warten, dass
ihre Kinder zum gemeinsamen Abendessen kommen. Da kommen sie – der Vater gießt sich
schnell noch einen Drink ein. Haußmann lacht: »Familie ist mein Spezialgebiet, da
bin ick Meister im Inszenieren.«
[ Inhalt ]
Polizeistreik
Früher nannten sie ihn Kalaschnikow, denn sein richtiger Name klingt so ähnlich: Kalinowski. Doch seit er unter dem Pseudonym Norman Kally zwei während ereignisloser
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