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Atommuell - Die Suche nach dem Endlager

Atommuell - Die Suche nach dem Endlager

Titel: Atommuell - Die Suche nach dem Endlager
Autoren: Geo
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    Für den Abfall gibt es drei grobe Kategorien. Schwach und mittelstark strahlt er in den beiden ersten, auf Stufe III dann: intensiv strahlender Müll. Der entsteht, wenn die Brennstäbe im Meiler „abbrennen“ – wenn sich also die Uran-Atomkerne in den Stäben spalten und Neutronen freisetzen, die wiederum die Spaltung anderer Uran-Kerne anregen. Aus dieser Kettenreaktion gehen zahlreiche neue Stoffe hervor, die ihrerseits radioaktiv sind: die zerfallen und Strahlung abgeben, etwa Cäsium, Jod und Strontium. Und treffen Neutronen statt auf das spaltbare Uran-235 auf das ebenfalls vorhandene Uran-238 (es hat drei zusätzliche Neutronen im Kern), entstehen weitere radioaktive Elemente. Etwa Schwermetalle wie Neptunium oder Americium.
    In den abgebrannten Stäben steckt auch Plutonium-239. Seine Strahlung dringt in Luft nur wenige Zentimeter weit, schon ein Stück Stoff schirmt sie ab; doch gelangen nur Millionstel Gramm davon in den Körper, lagert es sich in Lunge, Leber und Skelett ab und löst mit hoher Wahrscheinlichkeit Krebs aus. Nach 24110 Jahren ist von diesem radioaktiven Metall erst die Hälfte zerfallen. Jod-129, auch im Atommüll enthalten, hat eine Halbwertszeit von 16 Millionen Jahren.
    Bei der Uranspaltung und dem Zerfall von Spaltprodukten und radioaktiven Schwermetallen entsteht nicht nur Strahlung, sondern auch Wärme – und nur diese wird im Kraftwerk zur Stromerzeugung genutzt. Bis auf etwa 1200 Grad Celsius erhitzt sich das Innerste der Brennstäbe im Reaktorbetrieb. Wenn sie ausgedient haben, hievt sie ein ferngesteuerter Kran in ein Abklingbecken. Dort lagern sie im Wasser – für viele Jahre.
    Fällt diese Kühlung aus, können sie sich auf über 2500 Grad Celsius erhitzen, es droht eine Kernschmelze. Wie jüngst in Fukushima. Und wie dort liegen in zahlreichen Ländern, auch in Deutschland, die Wasserbecken bei manchen Reaktoren außerhalb der hermetisch abgedichteten Schutzhülle. Werden die Außenmauern zerstört und schlägt der Pool leck, schützt keine Barriere mehr die Umwelt.
    Viele Atomkraft-Staaten verschicken ausgediente Brennstäbe nach Frankreich oder Großbritannien zur Wiederaufarbeitung: Bis zu zehn Prozent des Materials, etwa das im Reaktor erbrütete Plutonium, lassen sich erneut zu Brennstoff verarbeiten. Die nicht mehr brauchbaren hochradioaktiven Stoffe hingegen werden mit Glas verschmolzen, in Edelstahlzylinder gegossen und gelten offiziell als Müll. Die gläsernen, bis zu 400 Grad Celsius heißen Kokillen in den Stahlbehältern müssen weitere Jahrzehnte erkalten, bevor sie deponiert werden können.
    Bis dahin lagern sie oberirdisch, im besten Fall in sogenannten Castoren in gut durchlüfteten Hallen. In Deutschland ist es seit 2005 verboten, Brennstäbe zur Wiederaufarbeitung zu schicken. Stattdessen verpacken die Kraftwerksbetreiber alte Brennstäbe nach fünf Jahren Abklingzeit direkt in Castorbehälter. Diese müssen dann mehrere Jahrzehnte oberirdisch abkühlen. So sind in Deutschland zwölf Zwischenlager in der Nähe der Meiler in Betrieb sowie drei weitere fernab der Kraftwerke, darunter das in Gorleben.
    Im schlechteren Fall, in Russland etwa, ruht ein Teil des Mülls in Fässern unter freiem Himmel. Wie etwa eine unbekannte Menge weniger stark strahlenden Abfalls in der kerntechnischen Anlage Majak, wo sich 1957 einer der schlimmsten Atomunfälle der Geschichte ereignete: Nach Ausfall des Kühlsystems war ein Tank explodiert. Womöglich Tausende starben an den Folgen der verheimlichten Katastrophe. In Majak lagern heute radioaktive Abfälle, die zweieinhalbmal so viel Strahlung erzeugen wie das Material, das 1986 in Tschernobyl in die Atmosphäre geschleudert wurde.
    Überraschenderweise aber kennt niemand auf der Welt die Gesamtmenge des Mülls. Selbst die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO) in Wien ist bei dieser Frage ratlos. Eine Datenbank über die Anzahl der weltweit gelagerten Brennstäbe etwa wäre sicher eine gute Idee, findet IAEO-Sprecher Giovanni Verlini: „Soweit ich weiß, denken unsere Experten darüber nach.“ Doch bis dahin ist selbst die IAEO auf Schätzungen angewiesen.
    Vor sechs Jahren gab es danach weltweit etwa 250 000 Tonnen hochradioaktiven Mülls. Für Ende 2010 nannte die IAEO 345000 Tonnen. Und 2022, wenn in Deutschland die letzten Meiler vom Netz gehen, dürften es 450 000 Tonnen sein – eine Menge, die den Berliner Hauptbahnhof bis unters Dach ausfüllen könnte. Der deutsche Anteil daran wird knapp
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