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Atommuell - Die Suche nach dem Endlager

Atommuell - Die Suche nach dem Endlager

Titel: Atommuell - Die Suche nach dem Endlager
Autoren: Geo
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daher anfällig für Rissbildung.“ Durch Risse kann Grundwasser dringen, das radioaktiv verseucht würde.
    In den USA grub man bisher im Tuffgestein in der Wüste von Nevada. Der poröse Tuff ist laut Buser zwar eine gute Barriere gegen strahlende Teilchen – wirke auf Wasser aber wie ein Schwamm. Außerdem ist Tuff vulkanischen Ursprungs und somit Hinweis auf geologische Unruheherde.
    In der Schweiz und in Frankreich wird Ton erforscht. „Ton quillt besser als Salz und absorbiert radioaktive Teilchen ähnlich gut wie Tuff“, sagt Buser. „Aber er leitet Wärme schlecht ab.“ Der Müll darf nicht heißer als 100 Grad sein. Sonst drohen auch hier Risse im Stein.
    Tief unter der lothringischen Erde sieht es aus wie in den Katakomben eines Fußballstadions, der Betonfußboden ist wie gefegt, Versorgungsrohre ziehen sich an den Wänden entlang. Gabelstapler mit Warnleuchten rattern durch die Gänge, Arbeiter tragen Helme mit Grubenlichtern. Und über metergroße Stutzen strömt trockene, 22 Grad warme Luft in das Endlagerlabor, 500 Meter unter den Äckern des Dorfes Bure.
    Geologen, Physiker, Ingenieure und Chemiker examinieren hier den Fels wie das Terrain eines fremden Planeten. Dafür haben sie Tunnel geschachtet, Sonden in Bohrlöcher geschoben und überall Kästen mit Computern aufgestellt. Displays zeigen den Druck an, den Sensoren im Fels detektieren.
    Welche Eigenschaften hat der Ton? Wie reagiert er auf welche Stoffe? Um das herauszufinden, perforieren die Forscher ihn, malträtieren ihn mit Gasen, injizieren ihm radioaktive Substanzen, drücken Wasser hinein, um seine Saugkraft zu prüfen. Erhitzen ihn, zerschneiden ihn mit mannslangen Kettensägen, um zu sehen, was diese Tortur in einigen Meter Entfernung an Rissen hinterlässt.
    Die Tonschicht entstand zur Zeit der Dinosaurier, 155 Millionen Jahre vor heute, aus den Sedimenten eines Meeres. Nun soll sie dem strahlenden Müll ein steinernes Gefängnis werden – für mindestens 100 000 Jahre. Der französische Endlagerplan sieht vor, dass der hochradioaktive Abfall auf einer 15 Quadratkilometer großen Untertagehalde in Metallkapseln hintereinander in 40 Meter lange Röhren geschoben wird. Die Behälter sollen noch in 100 Jahren wieder herausgezogen werden können, falls etwa bei der Korrosion des Metalls entzündliche Gase entstehen oder falls sich unerwartet Klüfte im Gestein auftun. Dann, so die Idee, könnte man nachbessern.
    Bürgermeister Fernbach marschiert in Gummistiefeln und orangefarbener Weste an einer Tunnelbohrmaschine vorbei. Er hat das Labor schon vier-, fünfmal gesehen. Denn Fernbach ist nicht nur Bürgermeister, sondern auch Vizepräsident eines Büros, das zwischen der staatlichen ANDRA und den Anwohnern vermitteln und die Arbeiten überwachen soll. Fernbach bearbeitet Petitionen, gibt Expertisen in Auftrag, stellt Anfragen. Zuweilen wartet er Monate auf Antwort. „Manchmal schicken sie ein DIN-A4-Blatt mit ein paar lapidaren Sätzen. Oder aber eine Kiste mit einem Kubikmeter Papier.“
    Vertraut er der Behörde noch? „Ich vertraue den Wissenschaftlern“, antwortet Fernbach, „wie ich den Ärzten in einem Krankenhaus vertraue.“
    Fernbach ist Pragmatiker. Er sagt, dass es ja irgendwo hinmüsse, das Endlager. Aber er wirkt zuweilen auch wie ein Zauberlehrling, dem die Sache mulmig wird. „Sie stoßen seltsamerweise nie auf Probleme“, wundert sich der Bürgermeister. Und „vor allen Dingen geht uns die Arbeit hier zu schnell voran. Wir wollen, dass sie es gründlich tun.“
    Trotz der Sondierungen: Derzeit habe noch „kein Land eine geologische Deponie für die Zwischen- oder Endlagerung von abgebrannten Brennstäben“, klagen Gutachter der IAEO. Dabei wird auch den Endlager-Kundschaftern immer klarer, dass die Fahndung nur unter Einbeziehung der Bevölkerung gelingen kann. „Das Verfahren muss transparent sein“, sagt Florian Emrich vom Bundesamt für Strahlenschutz, das die Suche in Deutschland koordiniert.
Ein Projekt, das die Experten überfordert
    Ähnliches ist aus der Schweiz zu vernehmen, nachdem dort ein erster Endlagerplan für schwach- und mittelaktive Abfälle per Volksentscheid gekippt worden war. Offenbar folgt die Dramaturgie der Suche überall auf der Welt gleichen Gesetzen. Die Planung ruft immer Widerstand hervor: Kein Bürgermeister, kein Regionalparlament will eigenes Terrain als Nuklear-Müllkippe zur Verfügung stellen – es sei denn für Gegenleistungen. Für Privilegien. Für Geld.
    Eine der
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