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Ashton, der Heißbluetige

Titel: Ashton, der Heißbluetige
Autoren: Connie Brockway
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bestünde sein Hauptanliegen darin, sich für die verlorene Zeit schadlos zu halten.
    Londons Wüstlinge hatten ihn augenblicklich wie ein neues Spielzeug in ihre Reihen aufgenommen. Und ein amüsantes Spielzeug war er. Keiner war geistreicher, keiner ein entgegenkommenderer Gesellschafter, kein Führer auf den Wegen zur Selbstzerstörung kenntnisreicher. Und kein anderer war weniger an die Regeln der Gesellschaft gebunden, und kein anderer kümmerte sich weniger um die Ansicht der Gesellschaft als Ash Merrick. Aber das war auch nicht anders zu erwarten.
    Denn schließlich war Lord Carr sein Vater, ein Mann, der sich lieber in das schottische Hochland hatte verbannen lassen, als sich seinen Gläubigem zu stellen, und der später dann, nachdem er in kurzer Folge den Verlust seiner drei reichen Ehefrauen aus den Highlands zu beklagen hatte, sich gezwungen sah, in der Verbannung zu bleiben.
    Wenn Merrick berühmt-berüchtigt war, dann war sein Vater ruchlos, und die heimliche Erregung, einem derart verrufenen Anführer zu folgen, hatte sich für die gelangweilte Elite der Gesellschaft als unwiderstehlich erwiesen.
    Doch die Schmeicheleien, mit denen sie Merrick überhäuften, waren gefärbt mit Verachtung. Er war ein Niemand. Ein ehemaliger Sträfling. Sein eigener Vater würde für ihn nicht die Hand ins Feuer legen, und seine Mutter war eine bekannte Anhängerin der Stuarts, eine Jakobitin, gewesen. Er lebte am Rande der guten Gesellschaft, und darum war er, auch wenn er in ihrer Mitte weilte, keiner von ihnen.
    Und was noch provozierender war, er wollte das auch gar nicht sein. Und er gab sich noch nicht einmal Mühe, das vor ihnen zu verbergen.
    Er gestattete ihnen, ihm zu folgen. Tatsächlich ermutigte er sie, hielt ihnen die Türen zu einer Unterwelt voller Vergnügungen auf. Dann trat er beiseite. Oft gehörte er zu den Gewinnern nach einer Nacht in der Spielhölle, aber niemand
    verübelte es ihm, da sein Gewinn niemals hoch genug war, Verdacht auf Falschspiel zu erregen. Außerdem bemächtigte er sich ihres Geldes auf andere Weise, so sagte man sich, indem er ihnen ein London zeigte, von dessen Existenz sie nichts geahnt hatten.
    Sogar jetzt, sogar gegen Tunbridge, hatte er nur ein paar hundert Pfund verloren. Merrick verlor selten, so dass jene, die wachsam waren und deshalb auch der Boshaftigkeit fähig, seinem bevorstehenden Untergang voller Schadenfreude entgegensahen. Mit Ausnahme von Thomas Donne, einem unanständig reichen, geheimnisvollen und verflucht zuvorkommenden Schotten - und, wie manche behaupteten, Merricks Freund. Donnes schmale Züge verrieten insgeheim Vergnügen.
    Merrick, dessen Hemdkragen offen stand und dessen dunkles Haar sich aus dem Zopf gelöst hatte, lehnte sich zurück, ohne Perücke, ohne Rock, ohne Ruf, lächelte schief und ließ seine Finger über das Stilett mit dem perlmuttverzierten Griff gleiten, das er zum Nüsseknacken benutzt hatte. Der Blick seiner dunklen Augen, mit denen er Tunbridge betrachtete, war unstet und vage. Betrunken. Tunbridge begann die Karten zu mischen.
    „Merrick“, bemerkte er gedehnt, „ich fürchte, heute bin ich nicht zu schlagen. Eine weitere Nacht ist angebrochen, und mein Geschmack an diesem Sport schwindet im gleichen Maße, in dem der an einem anderen wächst.“ Die Magd auf seinem Schoß kicherte. „Ich schlage vor, wir hören auf.“
    „Bestimmt doch noch nicht jetzt“, antwortete Merrick in gekränkt-überraschtem Ton. „Ihr würdet mir doch gewiss nicht die Gelegenheit verweigern, zurückzuholen, was Ihr gewonnen habt?“ Die kleine Pause, die er vor dem vorletzten Wort machte, war noch nicht einmal das Stocken seines Atems. Niemand konnte etwas anderes behaupten, doch Tunbridge stieg dennoch die Röte unter der leicht verschmierten Puderschicht in die Wangen.
    „Nun denn, da nur noch wir beide übrig sind, was haltet Ihr von einer Partie Piquet?“ fragte Tunbridge.
    „Ausgezeichnet“, murmelte Merrick, seine ganze Aufmerksamkeit darauf gerichtet, den Alekrug an seine Lippen zu heben. Tunbridge hob ab, und Merrick tat es ihm nach, nur um resigniert zu seufzen, als Tunbridges König seinen Buben stach.
    „Schieres Glück“, erklärte Tunbridge. „Zweifellos wird es Euch besser . .."
    Die Tür zum Schankraum schwang auf, und ein junger Mann in der Kleidung eines Kuriers trat ein. Er blieb blinzelnd in dem verräucherten Zimmer stehen, während von seinem nassen Umhang Dampf aufstieg. Nachdem er Merrick entdeckt hatte, bahnte er
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