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Ashford Park

Ashford Park

Titel: Ashford Park
Autoren: Lauren Willig
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Mutter vorbei ins Foyer. «Klar. Wie du meinst.»
    Das war das Problem, wenn man das Produkt einer späten Schwangerschaft war, der Generationsunterschied verdoppelte sich. Ihre Mutter war während des ‹Blitzkrieges› jung gewesen, und die Mentalität war ihr geblieben. Clemmie war zur Welt gekommen, als ihre Mutter vierundvierzig gewesen war, letzter Seufzer einer gescheiterten Ehe. Es war ihrer Mutter, die geglaubt hatte, sie sei längst über das gebärfähige Alter hinaus, ungeheuer peinlich gewesen.
    Noch peinlicher war es geworden, als drei Jahre später Clemmies Vater seine Sachen packte, weil es ihm restlos reichte mit dem Wickeln und Bäuerchen machen, wie er fast wörtlich gesagt hatte. Er hatte ihre Mutter wegen einer Journalistin namens Jennifer verlassen, zwanzig Jahre jünger, Kalifornierin und blond.
    Clemmie verübelte ihm nicht, dass er gegangen war, sie verübelte ihm nur, ein Klischee zu sein.
    «Jetzt bist du wütend auf mich», sagte ihre Mutter mit tragischer Gewissheit. Selbst nach fünfzig Jahren in den Staaten hatte Clemmies Mutter ihren ausgeprägten britischen Akzent nicht aufgegeben, Erinnerung an eine Kindheit, die sie zwischen Kenia und London pendelnd verbracht hatte. Er verlieh selbst ihren banalsten Äußerungen einen gewissen Klang von Autorität.
    «Ich bin nicht wütend auf dich», log Clemmie. «Lassen wir’s einfach, okay? Granny Addie hat heute Geburtstag. Juhu.»
    «Hm», sagte ihre Mutter. Ihre Miene veränderte sich plötzlich. Sie richtete sich kerzengerade auf, hob sich beinahe auf die Zehenspitzen in ihren flachen, vernünftigen Schuhen. «Anna», rief sie strahlend. «Sieh mal, wer hier ist.»
    Gerettet. «Hallo, Tante Anna», sagte Clemmie, die linke Hand behielt sie hinter dem Rücken. «Wir haben uns ja ewig nicht gesehen.»
    «Clemmie, Schätzchen.» Tante Anna trug ihre Haare immer noch lang. Sie waren blond wie Clemmies, raffiniert geschnitten, sodass sie sachte nach vorn schwangen. Es sah aus, als hielte sie einem den Kopf in ständiger Erwartung entgegengeneigt. Sie musste mindestens siebzig sein, aber die guten Geister bei Frederic Fekkai hatten Silber wieder zu Gold gesponnen und ihren Haaren das helle Blond zurückgegeben, das auf den Hochzeitsfotos auf Granny Addies Klavier zu sehen war. Es gab viele Hochzeitsfotos, Tante Anna war nicht weniger als achtmal verheiratet gewesen. Ihre Haare streiften Clemmies Wange, als sie Clemmie in eine Umarmung und eine Duftwolke von Chanel hüllte. «Wir hatten schon Angst, du wärst von den Wölfen gefressen worden.»
    «Nein, nur von der Arbeit», sagte Clemmie, sich aus der Umarmung befreiend.
    «Deine Mutter hat sich schon Sorgen gemacht», erklärte Tante Anna.
    «Unsinn», widersprach Clemmies Mutter steif. Die Zauberkünste von Fekkai waren nichts für sie. Sie trug das Haar kurzgeschnitten und kompromisslos grau. «Clementine arbeitet sehr viel.»
    «Wie geht’s euch allen?», fragte Clemmie schnell. Es war die unverfänglichste gesellschaftliche Floskel. «Hast du deinen Shoo-Shoo noch?»
    «Du lieber Gott, du bist wirklich nicht auf dem Laufenden», sagte Tante Anna.
    Clemmies Mutter machte ein gequältes Gesicht, wie immer, wenn Tante Anna redete. Nach Jahren auf der Transatlantikroute war Tante Annas Akzent nur noch verwischt, nicht ganz englisch und nicht ganz amerikanisch. Affektiert nannte Clemmies Mutter ihre Redeweise, ziemlich krass von einer Frau, die sich anhörte wie ein Spross der Nobelfamilie in
Das Haus am Eaton Place
.
    «Ich habe einen süßen kleinen Pekinesen», sagte Tante Anna. «Jonathan hat den Posten an der Columbia bekommen und ist jetzt auf Wohnungssuche. Ach, es wird schön, ihn wieder in der Nähe zu haben. Millie hat eine Weile bei mir gewohnt, aber sie ist jetzt mit ihrem Freund zusammengezogen.»
    «Ist sie nicht erst zehn oder so?» Millie war eines von Tante Annas Stiefkindern, eines der jüngeren, die ihr dritter Mann – oder war es der vierte? – ihr hinterlassen hatte. Man verlor so leicht den Überblick. Clemmie bemerkte, wie ihre Mutter die Lippen spitzte. Es machte sie verrückt, dass Tante Anna ihre Stiefkinder zu Familienfeiern mitschleppte, obwohl sie doch, nach Auffassung von Clemmies Mutter, überhaupt nicht dazugehörten.
    «Ach, Schätzchen.» Tante Anna lachte ihr glockenhelles Lachen. «Sie ist inzwischen dreiundzwanzig. Ich weiß, ich weiß, es ist furchtbar. Aber sie ist mit ihrem Sean anscheinend sehr glücklich. Sie wohnen in Yorkville.»
    «Ist sie nicht
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