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Ashford Park

Ashford Park

Titel: Ashford Park
Autoren: Lauren Willig
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immer gesagt, ist mitten hindurch.
    Vorsichtig stellte Addie ihren Koffer ab und lockerte ihre angestrengte Hand. Als sie sich wieder aufrichtete, hatte sie ihr liebenswürdiges, für die Öffentlichkeit und gesellschaftliche Anlässe bestimmtes Lächeln aufgesetzt.
    «Aber hier bin ich», sagte sie und gab Frederick die Hand. Sein Ring drückte in ihre Haut, eine Mahnung und eine Warnung. «Wie hätte ich nicht kommen können?»

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    Teil eins
Ashford

Kapitel  1
New York, 1999
    C lemmie rannte unter der Markise hindurch in das Haus, in dem ihre Großmutter wohnte, und beantwortete den Gruß des Portiers mit einem kurzatmigen ‹Hallo›.
    Er wollte etwas sagen, doch sie eilte weiter, mit klappernden Absätzen auf dem Marmorboden, und begnügte sich mit einem flüchtigen Winken halb über die Schulter.
    Oben wurde Granny Addies neunundneunzigster Geburtstag gefeiert, und sie hatte sich verspätet.
    Im Laufen knöpfte sie ihren Mantel auf und löste den Schal. Ihr war trotz der Novemberkälte heiß. Sie fühlte den klammen Schweiß unter den Schichten von Mantel, Kostümjacke, Bluse und Büstenhalter. Sie hatte sich eigentlich umziehen, schnell in ein Kleid schlüpfen wollen, aber dazu hatte die Zeit nicht gereicht, und nun stand sie da mit zerknautschten Klamotten, wirren Haaren, Blasen an den Füßen und nicht einem Hauch Farbe mehr auf den Lippen. Ihre Mutter würde entsetzt sein, aber sie würde nichts sagen. Sie würde ihre Verzweiflung mit verkniffenem Mund und hochgezogenen Brauen kundtun. Darin war sie Meisterin. Die Augenbrauen von Clemmies Mutter funktionierten besser als die Gebärdensprache. Sie konnten komplizierte Botschaften mit einem Minimum an Bewegungsaufwand übermitteln.
    Clemmie drückte den Aufzugknopf und beging den Fehler, auf ihre Uhr zu schauen. Viertel nach acht. Vor fünfundvierzig Minuten hatten sie oben mit den Cocktails angefangen. Vielleicht setzten sie sich jetzt schon zum Essen. Kein Wunder, dass der Portier sie so angestarrt hatte. Ihre Mutter hatte wahrscheinlich alle zehn Minuten unten angerufen und gefragt, ob sie schon in Sicht sei. Sie hatte die Grenzen der akzeptablen Verspätung längst überschritten und den Boden unverzeihlicher Unpünktlichkeit betreten.
    Sie hievte ihre große Longchamp-Tasche von einer Schulter auf die andere, während sie im Geist ihr Sortiment an Entschuldigungen durchging, keine davon ganz erfunden, aber auch keine ganz wahr: eine Besprechung in letzter Minute, das BlackBerry in ihrer Tasche, das überhaupt nicht aufhörte zu brummen, diese verdammte eidesstattliche Aussage in Dallas, die fertiggemacht werden musste, bevor sie am Donnerstag in die Maschine stieg. Dann gab es natürlich noch die üblichen Ausreden: kein Taxi, verspätete U-Bahnen, die Unmöglichkeit, auf direktem Weg von ihrem Büro, ganz im Westen an der 49 th Street und der Eighth Avenue gelegen, zu Granny Addie zu gelangen, die sicher im Schoß der Upper East Side, Ecke 85 th Street und Fifth Avenue wohnte. Das zumindest war die reine Wahrheit. Clemmie hatte tatsächlich fast den ganzen Weg zu Fuß zurücklegen müssen, halb im Sturmschritt, halb im Sprint. Wacklig und unsicher auf ihren hohen Absätzen, hatte sie nach Taxis Ausschau gehalten, doch die waren ausnahmslos besetzt, Silhouetten selbstzufriedener Gestalten auf dem Rücksitz, sie drinnen und Clemmie draußen.
    Sie zog diskret den linken Fuß aus ihrem schwarzen Pumps. Schwarzes mattes Leder, jetzt leicht abgestoßen, mit einem acht Zentimeter hohen Absatz. Diese Schuhe machten sich sehr gut unter einem Konferenztisch, aber für Wanderungen waren sie nicht geschaffen.
    Der Strumpf klebte an ihrer Ferse fest. Wunderbar. Nicht nur eine Blase, sondern ein aufgescheuerte Blase. Das würde morgen mörderisch weh tun, wenn sie zur Arbeit humpelte.
    Ein kurzes Signal, der Aufzug hielt, und seine Türen öffneten sich.
    Clemmie rammte ihren Fuß wieder in den Schuh und begab sich hinkend hinein. Die Kabine hatte Rosenholztäfelung, die Knöpfe waren in glänzendem Messing gefasst. In dreißig Jahren hatte sich kaum etwas verändert. Sie drückte auf die Acht, ihr Finger fand den Knopf ganz von selbst, und der Aufzug setzte sich in Bewegung. Wie immer warf sie einen Blick in den schildförmigen Sicherheitsspiegel in der Ecke. Als Kind hatte sie sich damit amüsiert, ihren Kopf erst in die eine, dann in die andere Richtung zu bewegen und zu beobachten, wie ihre Gesichtszüge sich verzerrten wie bei einer
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