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Aschenputtels letzter Tanz

Aschenputtels letzter Tanz

Titel: Aschenputtels letzter Tanz
Autoren: Kathleen Weise
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barfuß über die Wege aus festgestampfter Erde, und dieses stetige Patt-patt-patt nackter Füße erinnerte Éloise an die Trommeln der Sklaven.
    Sie hatte so viele Stunden an diesem Fenster verbracht, dass sie inzwischen sogar erkennen konnte, wer gerade von Bord eines Schiffes kam und wer schon mehrere Monate auf der Insel lebte. Ganz gleich, welcher Schicht sie angehörten, mit der Zeit machten sichdie Kolonisten alle jenes eingefärbte Französisch zu eigen, in das sich kreolische Sprachfetzen mischten, und auch ihr Gang passte sich dieser Melodie an. Er wurde weicher und wiegender.
    Obwohl Tanguy ihr versicherte, dass sie mit ihm an ihrer Seite auf den Spaziergängen sicher sei, konnte sich Éloise nicht überwinden, noch einmal in das Gewühl der Stadt einzutauchen. Die engen Gassen von Le Cap bedrückten sie genauso wie die Gedanken an daheim.
    Seufzend sah sie sich ein letztes Mal in dem kleinen Zimmer um. In dem Salon stand nun nichts mehr außer einem blauen Sofa und einer Kommode mit Spiegel.
    Beides gehörte dem Besitzer des Hauses, einem gewissen Monsieur Robert, der vor fünfzehn Jahren in die Kolonien gekommen war und es offenbar verstanden hatte, sein Glück zu machen. Er besaß im französischen Teil der Insel mehrere Häuser, von denen er ihnen eines für die Dauer ihres Aufenthaltes in Le Cap überlassen hatte. Gegen eine unverschämte Summe Gold, verstand sich. Aber Éloises Onkel hatte Monsieur Robert in seinen Briefen nach Frankreich als vertrauenswürdigen Mann empfohlen, der sich nach ihrer Ankunft um sie kümmern werde; daher waren sie auf das Angebot eingegangen.
    »Mademoiselle«, sagte plötzlich eine raue Stimme von der Tür her und unterbrach ihre Gedanken. »Euer Vater erwartet Euch.«
    Erschrocken drehte sich Éloise um und konnte nichtverhindern, dass ihr nach all diesen Tagen noch immer ein Schauer über den Rücken lief, wenn sie Honoré erblickte. Lautlos wie eine Katze war der Diener von Monsieur Robert hinter ihr aufgetaucht.
    Honoré war der erste Schwarze gewesen, den sie je in ihrem Leben zu Gesicht bekommen hatte. Die Haut des Sklaven war so dunkel wie die heiße Schokolade, die am Place de Grève in Paris verkauft wurde, dazu war er mindestens zwei Köpfe größer als Éloise und seine Schultern waren sogar noch breiter als Tanguys. Wenn er sprach, blitzten die Zähne zwischen seinen Lippen wie ein gefährliches Raubtiergebiss auf. Monsieur Robert hatte ihn in den Hafen geschickt, um sie mit einer Kutsche abzuholen. Wie alle Sklaven vermied es Honoré, Éloise direkt anzusehen, weil es ihm verboten war. Trotzdem wurde sie das Gefühl nicht los, dass sein Blick ihr folgte, sobald sie den ihren von ihm abwandte. Die Art, wie er, ohne ein Geräusch zu verursachen, über die Dielen lief, war ihr unheimlich. Es erinnerte sie an die jagenden Luchse im Unterholz.
    Über ihre Furcht hatte ihr Vater nur gelacht und gemeint, sie würde sich schon daran gewöhnen, schließlich sei es ihrer Mutter vor siebzehn Jahren auf der Hochzeitsreise nach Saint-Domingue genauso ergangen. Und auch sie habe sich irgendwann an den Anblick all dieser Schwarzen gewöhnt.
    Aber nicht genug, um noch einmal hierher zurückzukehren , dachte Éloise bitter, als sie langsam die breite Holztreppe nach unten ging, während Honoré am oberenEnde stand und ihr nachsah. Steif wie eine Statue, da war sie sich sicher. Sein Blick brannte ihr im Rücken, und am liebsten wäre sie vor ihm davongelaufen. Aber das tat sie nicht. Er war nur ein Sklave, wovor sollte sie also Angst haben? Es war lächerlich.
    Ihre Schritte hallten laut in der Stille des Flurs wider. Am Fuß der Treppe drehte sie sich noch einmal nach Honoré um, und zum ersten Mal in all den Tagen trafen sich ihre Blicke – und Éloise erschrak. Hastig machte Honoré mit der rechten Hand das Kreuzzeichen und senkte die Lider.
    Der Sklave hatte sie angesehen wie einen Geist.
    Eine nervöse Unruhe befiel sie. Nur mühsam konnte sie sich von ihm losreißen und weitergehen. Erst als sie im Flur ankam und seine Gestalt durch die breite Flügeltür verdeckt wurde, gelang es ihr, sich abzuwenden. Etwas an seinem Gesichtsausdruck hatte sie zutiefst verstört – mehr noch, als es die letzten Tage schon der Fall gewesen war. Ihr war nicht entgangen, dass sein Blick wie fieberhaft auf ihrer Kette mit der Münze gelegen hatte, und dieser Gedanke verursachte ihr eine Gänsehaut, ohne dass sie wusste warum.
    Fröstelnd trat sie ins Freie, wo sie die Sonne und der
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