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Aschenpummel (German Edition)

Aschenpummel (German Edition)

Titel: Aschenpummel (German Edition)
Autoren: Nora Miedler
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Superwoman.
    »Was hat ihn denn vergrault?«, kam es von rechts. »Du hast dich ihm doch nicht völlig nackt gezeigt, oder?«
    » Ihn hat nichts vergrault«, entgegnete ich. »Sondern mich.«
    »Sag das noch mal!«
    » Mich hat etwas vergr –«
    »Um Gottes willen!« Mama schlug die Hände vor das Gesicht. »Hab ich dir nicht eingetrichtert, nicht allzu wählerisch zu sein? Tissi kann es sich erlauben, wählerisch zu sein. Du hingegen, du kannst es dir einfach nicht erlauben, wählerisch zu sein. Ich meine es gut mit dir, vergiss das nicht.«
    Ich überfuhr eine rote Ampel. Unabsichtlich, ehrlich.
    »Mama«, presste ich hervor. »Hör jetzt auf damit, sonst bau ich noch einen Unfall. Ich muss mich beim Fahren konzentrieren.«
    »Du sollst dich nicht konzentrieren!«, kreischte Mama. »Du sollst einmal was in deinem Leben richtig machen!«
    Ich sagte nichts.
    Mama wütete weiter.
    Ich sagte noch immer nichts, starrte nur stur auf die Straße und fuhr. Superwoman, wie sie leibte und lebte.
    Mama schien sich gar nicht mehr einzukriegen. »Hast du mir zugehört? Hörst du mir jetzt zu? Wieso antwortest du nicht?«
    In mir brodelte es, doch ich sagte noch immer nichts.
    Ich schaffte es, zur Blockhütte zu fahren, ohne einen Wutanfall zu bekommen. Mama hingegen war vollkommen hysterisch. Als ich den Motor abstellte und mich zu ihr wandte, sah ihr Gesicht aus, als hätte die kleine Melli es aus Plastilin geformt. Völlig verzerrt.
    Sie fuchtelte mit ihrem Zeigefinger vor meinem Gesicht herum: »Wir reden noch«, fauchte sie.
    »Ja, das tun wir«, presste ich hervor.
    Sie stieg aus, stapfte wütend auf die Hütte zu und verschwand darin. Sobald sie weg war, biss ich ins Lenkrad, so lange und fest, dass meine Bissspuren für immer überleben würden, selbst wenn das Auto schon längst verschrottet war. Danach ging es mir besser.
    Mein Plan war simpel. Ich würde ein bisschen Zeit vergehen lassen und dann versuchen, in die Hütte zu gelangen. Sollte sie versperrt sein, dann würde ich direkt vor der Tür warten, bis Mama herauskam.
    Es war ein seltsames Gefühl, auf einmal keine Angst mehr vor meiner Mutter zu haben. Die Erlebnisse der letzten Tage und die Tatsache, dass ich so viele neue Menschen in mein Leben gelassen hatte, hatten mich verändert. Die Angst selbst kam mir plötzlich unwirklich vor. Warum war ich immer so hörig gewesen? Was wäre denn großartig passiert, wenn ich mich einmal gewehrt hätte? Ganz einfach: nichts. Zumindest nichts Schlimmes. Sie hätte getobt, na gut, aber das tat sie doch ohnehin.
    Eines aber war merkwürdig: Meine Vergangenheit hätte ich trotzdem nicht ändern wollen. An diesem Sonntag im Auto fühlte ich mich dermaßen stark und selbstbewusst, dass ich die letzten zweiunddreißig Jahre versöhnlich sehen konnte. Die hatten mich zu der gemacht, die ich war. Und ich mochte, wer ich neuerdings war.
    Keine zehn Minuten später hätte ich allerdings vieles darum gegeben, nicht ich sein zu müssen.
    Das war der Moment, als ich die Hüttentür öffnete.
    Sie waren tatsächlich so unvorsichtig gewesen, die Tür nicht zu verschließen.
    Es knarrte leise, als ich sie einen Spaltbreit öffnete. Ich zwängte mich hinein und stand in einem kleinen Vorraum, der vom nächsten Zimmer nur durch einen Perlenvorhang getrennt war.
    In diesem Zimmer befand sich auf jeden Fall Mama. Ich hörte ihre Stimme, wenn ich die Worte auch nicht verstehen konnte.
    Waren das überhaupt Worte? Sie gab so komische Laute von sich, war das … das war doch nicht möglich … nein, das konnte doch nicht Sex sein. Oder?
    Ich wurde panisch. Ich musste raus hier. Wer wollte schon seine eigene Mutter bei so was sehen? Außer dem Zahnarzt.
    Doch dann blieb ich doch. Ich musste es jetzt einfach wissen. Komme, was wolle. Traumatisierter konnte ich wohl kaum noch werden.
    Ich schlich zu den Perlenschnüren und blinzelte hindurch. Als Erstes sah ich Batman. Er lag auf dem Boden, den Kopf zwischen den Vorderpfoten, die Augen geschlossen. Neben ihm stand ein Holztisch, auf dem sein Herrchen thronte. Mit einer Videokamera in der Hand. Mein Blick flog hinüber zu dem Aufnahmeobjekt.
    Mama!
    Sie lag auf einem Diwan. Wobei es korrekt heißen müsste, sie rekelte sich darauf. In irgendwas Rotem, Winzigem, das wohl sexy sein sollte und jede Menge Altersflecken enthüllte.
    Sie hatte beide Hände auf ihren Brüsten und nuschelte vor sich hin: »Oh Fränk, Fränk, ich vermisse dich … deine Hansa vermisst dich so, Fränk …« Dann
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