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Aschenpummel (German Edition)

Aschenpummel (German Edition)

Titel: Aschenpummel (German Edition)
Autoren: Nora Miedler
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Zahnarzt lief wieder eine Träne über die Wange – und seine Unterlippe zitterte.
    »Es tut mir so leid«, wiederholte ich flüsternd.
    »Aber nein, liebste Teddy, es war ein Versehen. Mutter hat bestimmt Nachsicht. Doch während wir uns jetzt vereinen, möchte ich, dass Mutter zusieht. Ich möchte, dass sie sieht, wen ich mir ausgesucht habe.«
    »Mmhm«, machte ich und sah, wie er den Deckel öffnete und einen liebevollen Blick hineinwarf.
    Mir war schon alles egal, sollte er doch sehen, dass ich die eine Kugel beinahe zerquetscht hatte, dann würde er mich erwürgen oder aus dem Fenster schmeißen, jedenfalls war dann alles vorbei, und ich hatte endlich Ruhe.
    Im nächsten Moment presste er meinen Kopf auf das Kissen und seine Zunge in meinen Mund. Okay, anscheinend hatte Mutter ihrem kleinen Schatz nicht gezeigt, was für einen Trampel er sich da ins Bett geholt hatte.
    Hmm, so war das jetzt also. Mein erstes Mal.
    Mit einem Mann, den ich für einen möglichen Serienmörder hielt, der in mir die Reinkarnation seiner Mutter sah, die wiederum als strenge Beobachterin beide Augen auf uns gerichtet hatte. Das waren die Schwachpunkte an der Situation.
    Als positiv könnte man hingegen festhalten, dass der Zahnarzt mir gegenüber äußerst aufmerksam war, seine Mutter tot war und er halt noch immer so wahnsinnig gut aussah.
    »O Teddy, ich liebe Sie, ich liebe Sie!«
    Oh, na bitte, noch ein Bonus. Der erste Mann, der mir sagte, dass er mich liebte.
    »Ich liebe Sie, Teddy.«
    »Ja, ja«, sagte ich und überlegte weiter.
    Mittlerweile fingerte Strohmann an meinem Miederhöschen herum. Natürlich, ein Mann, der seiner Mutter verfallen war, hatte kein Problem mit Altweiberwäsche.
    »O Teddy, was ist denn das?«
    Oder doch? Ich hob den Kopf und blickte nach unten. Der Zahnarzt hielt die Nagelfeile in der Hand. Plötzlich sah er wehleidig aus. Ich rappelte mich auf und zog mein Kleid bis über die Zehenspitzen.
    »Hubertus«, begann ich.
    »Ich mag keine Schmerzen. Können wir bitte die Feile weglassen?«
    Jemanden abzuservieren war bei weitem nicht so aufregend, wie ich es mir vorgestellt hatte. Hubertus Strohmann verwandelte sich in Sekundenschnelle in das reinste Häufchen Elend und warf mir vor, ihn genauso verlassen zu wollen, wie Mutter es getan hatte.
    Als ich ihm erklärte, dass ich das sicher nicht vorhatte, dass ich sicher nicht sterben und meine Augen in einer Schachtel haben wollte, wurde er fast böse.
    Am Schluss fand ich eine Notlösung, wobei ich bescheiden feststellen muss, dass diese Notlösung fast schon ein Geniestreich war. Ich erzählte ihm von Tissi. Schwärmte ihm vor, wie schön herrisch sie sein konnte. Erzählte ihm von ihrem Beruf und davon, dass wir Schwestern uns durchaus ähnlich sahen. Wobei sie seiner Mutter sogar noch ein bisschen mehr glich als ich.
    »Sie passt perfekt zu Ihnen«, sagte ich »Sie müssen sich nur an ein paar Regeln halten. Nennen Sie sie unbedingt ›Tira‹, nie irgendetwas anderes. Gehorchen Sie ihr unbedingt, seien Sie freundlich, und vor allem unterwürfig. Bewundern Sie sie für ihren beruflichen Erfolg, aber geben Sie sich furchtlos. Und zeigen Sie ihr nicht gleich zu Beginn … Mutter. Und sagen Sie nicht, dass wir, ähm, engen Kontakt hatten. Okay? Ich verspreche Ihnen, dass Sie Ihnen gefallen wird und Sie beide sehr glücklich miteinander sein werden.«
    Und falls nicht, ist es mir auch egal, dachte ich, als ich die Stiegen hinunterhetzte, nachdem ich dem Zahnarzt noch einen Tipp gegeben hatte, wo er sie am besten »zufällig« treffen könnte. Alles Weitere überließ ich ihm. Beim Leben des Piraten schwor ich, nie, nie wieder in diese Wohnung zurückzukehren.

22
    Als ich am Sonntag erwachte, war ich vollkommen gerädert. Doch ich hatte keine Angst. Das war neu.
    Und dabei würde die Fahrt auf den Kahlenberg heute besonders unerfreulich werden. Nicht zuletzt weil ich nun doch kein neues Auto hatte. Erwartungsgemäß reagierte Mama darauf äußerst ungehalten.
    »Wo ist das schwarze Auto?«
    »Da ist was dazwischengekommen. Lange Geschichte, jedenfalls müssen wir das alte Auto nehmen.«
    »Ich setze mich nicht noch einmal in dieses Wrack. Ich weigere mich!«
    »Gut, Mama, dann fahre ich dich eben nicht. Du kannst ja ein Taxi nehmen.«
    Wütend starrte sie mich an.
    »Du hast es also wieder mal vermasselt«, knurrte sie und stieg ein.
    Ich ging auf die andere Seite und ließ mich auf den Fahrersitz fallen. Der Motor sprang sofort an, ich war
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