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Aristoteles: Grundwissen Philosophie

Aristoteles: Grundwissen Philosophie

Titel: Aristoteles: Grundwissen Philosophie
Autoren: Wolfgang Detel
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bestimmen, was ein guter syllogistischer Beweis eigentlich ist. Und genau für diese Bestimmung griff er erneut auf die Idee des analytisch-synthetischen Verfahrens zurück.
    Die grundlegende Idee ist, dass ein
syllogistischer Beweis
eines nicht-perfekten Syllogismus R, ST darin besteht, ihn in perfekte oder bereits bewiesene gültige Syllogismen zu zergliedern oder zu analysieren. Diese Analyse muss dann konkret darin bestehen, die Kluft zwischen den Prämissen R, S und der Konklusion T mit perfekten oder bewiesenen Syllogismen anzufüllen, so dass wir von R und S allein aufgrund bekannter gültiger Syllogismen zu T gelangen. Das allgemeine Beweisschema der syllogistischen Analyse einer Deduktion D (R, ST) ist also die Beweisformel
    P R, S: D 1 (R,SX 1 ) – D 2 (X 2 ,X 3 X 4 ) -...- D n (X n-1 , X n T): T
    Dabei sind D 1, D 2, ...,D n perfekte oder bewiesene Syllogismen. Der erste benutzte Syllogismus D 1 beginnt mit den Prämissen des zu beweisenden Syllogismus D, und alle weiteren benutzten gültigen Syllogismen verwenden als Prämissen zwei syllogistische Sätze, die vor ihrem Einsatz in der Reihe R, S, X i auftauchen, bis T erreicht ist. Auf diese Weise wird in der Tat der zu beweisende Syllogismus D in die gültigen Syllogismen D 1 – D n analysiert und wieder zusammengesetzt.
    Die ersten syllogistischen Deduktionen, die Aristoteles auf diese Weise beweist, sind nicht syllogistische Schlüsse im definierten formalen Sinn, sondern einfachere syllogistische [19] Deduktionen mit nur einer Prämisse – die so genannten Konversionsregeln (APr. I 2, 25a 14–25):
    K1 AeBBeA; K2 AiBBiA; K3 AaBBiA.
    Nach Aristoteles sind von den 188 nicht perfekten Syllogismen, die es insgesamt gibt, lediglich vierzehn syllogistisch gültig. Zwei typische Beweise lassen sich folgendermaßen notieren:
    (a) Beweis von BaA, BeCAeC (Camestres, zweite Figur): BaA, BeC: K1 (BeCCeB) – A2 (CeB, BaACeA) – K1 (CeAAeC): AeC
    (b) Beweis von AiB, CaBAiC (Disamis, dritte Figur): AiB, CaB: K2 (AiBBiA) – A3 (CaB, BiACiA) – K2 (CiAAiC): AiC
    Diese Beweise erfüllen offenbar die Beweisformel P , d. h., sie sind genuine logische Analysen.
    Zuweilen muss Aristoteles auf einen indirekten Beweis zurückgreifen: Die Prämissen des zu beweisenden Syllogismus werden positiv gesetzt; aber dann wird angenommen, die Konklusion des Syllogismus sei falsch, und diese Annahme wird dann wieder unter Einsatz gültiger Syllogismen zum Widerspruch geführt. Ein Beispiel ist
    (c) Beweis von AaB, BiCAiC (Darii, erste Figur):
AaB, BiC,AiC: L1 (AiCAeC) – K1 (AeCCeA) – A2 (CeA, AaBCeB) – K1 (CeBBeC) – L1 (BeCBiC), aberBiC steht im Widerspruch zur zweiten Prämisse BiC.
    Mit (c) ist einer der vier perfekten Syllogismen ( A3 ) seinerseits bewiesen.
    Wenn wir uns die Grundzüge der Syllogistik vor Augen führen, sehen wir sofort, dass die Syllogistik die zentrale Idee der Logik realisiert, wie sie bis heute anerkannt geblieben ist.
    Dieser Idee zufolge ist die Logik eine spezielle Theorie des Argumentierens. Sie betrachtet Formen von Argumenten, nicht konkrete Argumente. Es geht ihr nicht nur darum, wichtige Formen von Argumenten voneinander zu unterscheiden, sondern sie will auch beweisen, was
gute
und
zwingende
Formen von Argumenten sind. Insofern Argumente immer [20] Folgerungen oder Schlüsse sind und man zwingende Schlüsse auch gültige Schlüsse nennt, kann man die Logik auch als
normative Theorie gültiger Schlüsse
bezeichnen. Die Auszeichnung der gültigen Schlüsse erfolgt allein anhand der Semantik der logischen Zeichen: Genau diejenigen Schlüsse sind logisch gültig, die allein aufgrund der Bedeutung der logischen Konstanten, die in ihnen vorkommen, gültig sind; und auch das Beweisverfahren für die Auszeichnung der logisch gültigen Schlüsse basiert auf der Semantik der logischen Zeichen – im Falle der Syllogistik also, wie Aristoteles ausdrücklich bemerkt, letztlich allein auf der Bedeutung der beiden syllogistischen Ausdrücke »x kommt allen y zu« und »x kommt keinem y zu«.
    Die Syllogistik setzt Aristoteles in seiner Theorie des Wissens und der Wissenschaft – der »wissenschaftlichen Analytik« – voraus. In einem seiner bedeutsamsten Dialoge, dem
Theätet
, hat Platon das Wissen als wahre gerechtfertigte Meinung bestimmt (Plat. Theät. 201c–d, vgl. Men. 98a) – eine Definition, die bis heute einflussreich geblieben ist. Aber erst Aristoteles entwickelt Platons Epistemologie weiter zu einer ausgefeilten Wissenschaftstheorie,
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