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Aristoteles: Grundwissen Philosophie

Aristoteles: Grundwissen Philosophie

Titel: Aristoteles: Grundwissen Philosophie
Autoren: Wolfgang Detel
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die er wie die Syllogistik als Analytik kennzeichnet. 6 Die von Platon eingeforderte Rechtfertigungsbedingung für Wissen muss nach Aristoteles genauer darin bestehen, dass vorgelegte Thesen für wahr gehalten
und
mit Verweis auf weitere Fakten erklärt werden können. Eine solche Erklärung nennt er »Demonstration« (APo. I 2).
    Zu Beginn der
Ersten Analytik
, in der u.a. die Syllogistik präsentiert wird, kündigt er eine Untersuchung der Demonstration an. Eine Demonstration ist als Erklärung mehr als ein gültiger Syllogismus. Aristoteles verwendet den Ausdruck »Syllogismus« in zwei unterschiedlich starken Bedeutungen: zum einen im Sinne einer syllogistisch gültigen Deduktion und zum anderen im Sinne einer syllogistisch gültigen Deduktion mit wahren Prämissen. Den Syllogismus im zweiten, stärkeren Sinne können wir »Beweis« nennen. Eine Demonstration schließlich ist eine wissenschaftliche Erklärung – ein [21] Syllogismus im stärkeren Sinne, dessen wahre Prämissen zusätzlich auf erklärende Ursachen verweisen. Die Demonstration ist daher das entscheidende Thema der Wissenschaftstheorie, die in der
Zweiten Analytik
entwickelt wird. Aristoteles deutet folglich mit seiner Ankündigung zu Beginn der
Ersten Analytik
an, dass er
Erste
und
Zweite Analytik
, also Syllogistik und Wissenschaftstheorie, als theoretische Einheit betrachtet. In der Tat ist jede Demonstration ein gültiger Syllogismus, während das Umgekehrte nicht gilt.
    Nicht nur die Syllogistik, auch die Theorie der wissenschaftlichen Demonstration ist mithin eine Analytik. Die wissenschaftliche Analyse bezieht sich aber nicht auf ganze Syllogismen, sondern auf jeweils einzelne syllogistische Sätze, die universelle Fakten beschreiben – also vornehmlich Fakten, die wir mit generellen Sätzen der Form »Alle Bs sind A« (AaB) bzw. »Kein B ist A« (AeB) beschreiben. Die wissenschaftliche Analyse dieser universellen Sätze und der entsprechenden universellen Fakten bringt die Syllogistik zum Einsatz: Einen als wahr geltenden universellen Satz AaB oder AeB wissenschaftlich zu analysieren heißt, zwei weitere als wahr geltende Sätze zu finden, die Prämissen für einen syllogistisch gültigen Schluss auf den gegebenen universellen Satz sind. Und die Syllogistik gibt uns gerade die Form der gesuchten Prämissen an die Hand (APo I 32). Nach A1 könnten die gesuchten Prämissen für AaB beispielsweise die Formen AaC und CaB haben, und nach A2 könnten die Prämissen für AeB die Formen AeC und CaB haben (in der Tat behauptet Aristoteles, dass die Wissenschaften primär mit Demonstrationen in der ersten syllogistischen Figur operieren). Diese
Analyse und Synthese
können wir folgendermaßen notieren (der Buchstabe in Klammern zeigt die syllogistische Relation zwischen A und B an):
    (i) A(a): AaC, CaB: B
    (ii) A(e): AeC, CaB: B
    Syllogistisch formuliert besteht diese Analyse von AaB oder AeB darin, dass wir einen geeigneten Mittelbegriff C finden, der die Aufstellung der beiden Prämissen erlaubt. Es ist [22] möglich, dass wir die inneren syllogistischen Sätze in (i) oder (ii) ihrerseits durch Auffindung anderer Mittelbegriffe weiter analysieren und somit weitere syllogistische Prämissen für sie finden können, etwa für AaC und AeC:
    (iii) A(a): AaD, DaC: C
    (iv) A(e): AeE, EaC: C
    Dann können wir (i) mit (iii) und (ii) mit (iv) zu größeren Analysen verbinden:
    (v) A(a): AaD, DaC, CaB: B
    (vi) A(e): AeE, EaC, CaB: B
    Und dieses Spiel können und sollten wir fortsetzen, bis wir zu Prämissen kommen, die wir nicht weiter analysieren können. Das sind dann für den gegebenen Ausgangssatz die
ersten
oder
unvermittelten
Prämissen, für die wir keine weiteren Mittelbegriffe finden können. Aristoteles spricht hier anschaulich von einer Verdickungsprozedur, durch die wir die Lücke zwischen den Außenbegriffen des Ausgangssatzes gleichsam mit möglichst vielen Mittelbegriffen anfüllen (APo. I 23). Wenn die Analyse eines universellen syllogistischen Satzes mehr als einen Schritt enthält, können wir übrigens aus den gefundenen Prämissen weitere Sätze neben dem Ausgangssatz logisch ableiten, z. B. aus den in (v) aufgeführten Prämissen den Satz DaB, und aus den in (vi) aufgeführten Prämissen den Satz EaB.
    Die weitreichenden wissenschaftstheoretischen Konsequenzen dieses analytischen Verfahrens in den Wissenschaften können wir allerdings erst dann sehen, wenn wir uns klar machen, dass diese Analysen kein logisches Spiel sind, sondern sich
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