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Archer Jeffrey

Archer Jeffrey

Titel: Archer Jeffrey
Autoren: Verbrechen lohnt sich
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wollte Kevin nicht in Schwierigkeiten bringen; schließlich sollte der Junge seine verdiente Beförderung bekommen.
    Bill rollte seinen Schlafsack zusammen – ein Geschenk des Vorstandsvorsitzenden, der nicht bis Weihnachten hatte warten wollen, es ihm zu überreichen. Nein, das war nicht Sir Williams Stil. Ein geborener Gentleman war er, der eine Schwäche für schöne Frauen hatte – wer konnte ihm das verübeln? Bill hatte gesehen, wie die eine oder andere spätabends den Lift nach oben nahm, und er bezweifelte, dass die Damen nur gekommen waren, um sich in finanziellen Fragen beraten zu lassen. Vielleicht hätte er das Päckchen Kondome lieber Sir William schenken sollen.
    Er legte seine zwei Decken zusammen. Eine hatte er von einem Teil des Geldes erstanden, das er für die Uhr erhalten hatte, die andere hatte er geerbt, als Irish gestorben war. Irish fehlte ihm. Er holte den halben Laib Brot hervor, ein Beutestück aus den Abfallbehältern im Hinterhof des City Clubs. Er hatte dem Geschäftsführer einmal geraten, TextilAktien abzustoßen und sich aufs Internet zu verlegen, aber der Mann hatte ihn nur ausgelacht.
    Bill packte seine Siebensachen in die Reisetasche, ein Glücksfund aus einem Container hinter dem Old Bailey.
Schließlich musste er, wie alle rechtschaffenen Einwohner der City, sein Bargeld zählen – es war wichtig, flüssig zu sein, wo es mehr Verkäufer als Käufer gab. Er fummelte in der Hosentasche und zog ein Pfund, zwei 10-Pence-Münzen und einen Penny heraus. Dank der hohen Tabak- und Alkoholsteuern würde er sich keine Zigaretten leisten können, geschweige denn ein Bier. Außer, natürlich, Maisie stand hinter der Theke im The Reaper. Bill hätte sich gern näher mit ihr beschäftigt, obwohl er alt genug war, um ihr Vater zu sein.
Die Uhren in der City schlugen sechs. Bill band die Schnürsenkel seiner teuren Laufschuhe; auch sie hatte ein Yuppie in den Container geworfen, denn seinesgleichen trug jetzt eine andere Marke. Dann ein letzter Blick, als Kevin auf den Bürgersteig trat. Bis Bill um neunzehn Uhr zurückkehrte – pünktlicher und zuverlässiger als ein Wachmann –, würde Kevin zu Hause in Peckham bei seiner schwangeren Frau Lucy sein. Glücklicher Bursche.
Kevin sah Bill davonschlurfen und zwischen den Arbeitern der Morgenschicht verschwinden. Bill war ein guter Kerl. Niemals würde er Kevin in Verlegenheit oder gar um seinen Job bringen. Da bemerkte er den Penny unter dem Türbogen. Er hob ihn lächelnd auf. Abends würde er den Penny durch eine Pfundmünze ersetzen.
Kevin kehrte zum Eingang zurück, als das Putzkommando sich verabschiedete. Es kam um drei Uhr und musste um sechs Uhr mit der Arbeit fertig sein. Nach vier Jahren kannte Kevin sie alle mit Namen, und sie lächelten ihm stets freundlich zu.
Pünktlich um sechs Uhr musste Kevin mit auf Hochglanz geputzten Schuhen, blütenweißem Hemd, einer Krawatte mit dem Emblem der Bank und einem langen blauen Mantel mit Messingknöpfen – aus schwerem Tuch im Winter und leichtem Stoff im Sommer – auf dem Bürgersteig stehen. Banken achteten peinlich genau auf das Äußere ihrer Türsteher. Man erwartete von Kevin, dass er alle Vorstandsmitglieder beim Betreten des Hauses begrüßte. Kevin hatte seiner Liste noch ein paar hinzugefügt, die möglicherweise bald in den Vorstand aufgenommen würden, wie gemunkelt wurde.
Zwischen sechs und sieben trudelten die Yuppies ein. Sie grüßten mit: »Hi, Kev! Wetten, dass ich heute ‘ne Million mache?« und ähnlichen Sprüchen. Zwischen sieben und acht nahte mit langsamerem Schritt das mittlere Management, von Problemen mit Ehefrauen, Kindern, dem Schulgeld, einem neuen Wagen oder einer neuen Freundin heimgesucht. Sie grüßten mit einem knappen »Guten Morgen«, meist ohne Kevin überhaupt anzublicken. Zwischen acht und neun traf gemessenen Schrittes das obere Management ein, nachdem die Herren ihre Wagen auf den für sie reservierten Parkplätzen abgestellt hatten. Wie wir anderen auch, dachte Kevin, gehen sie an den Samstagen zum Fußballspiel, nur haben sie im Gegensatz zu uns eigene Tribünenplätze. Den meisten von ihnen war inzwischen klar geworden, dass sie es nicht in den Vorstand schafften; deshalb strengten sie sich auch nicht mehr übermäßig an. Als einer der Letzten ließ der Bankdirektor, Phillip Alexander, sich in seinem Jaguar mit eigenem Chauffeur hierher bringen. Unterwegs las er die Financial Times. Von Kevin erwartete man, dass er unverzüglich auf den
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