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Arams Sündenbabel

Arams Sündenbabel

Titel: Arams Sündenbabel
Autoren: Jason Dark
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nicht verstummt sein, das nahm ich jedenfalls an.
    Noch immer umwehte uns die schwermütige Melodie des Tangos. Männer und Frauen führten dabei einen Geistertanz auf. Ich bedeutete meinen Mitstreitern, zunächst einmal zurückzubleiben, womit sie auch einverstanden waren.
    Allein ging ich los.
    Ich zog mein Kreuz hervor. Ich wollte damit nicht kämpfen. Für mich war es mehr ein Testobjekt. Auf den nächsten Stufen passierte nichts, dann aber zuckte Wärme durch meine linke Hand, und blitzartig geschah noch etwas anderes.
    Eine Stufe vor mir und nach links versetzt, tauchte für einen winzigen Moment eine Person auf.
    Es war ein Mann. Er trug einen Frack, und zwischen seinen Lippen verqualmte eine Zigarette. Das Gesicht war blass. Die dünnen Lippen waren so rot, dass sie nur geschminkt sein konnten.
    Er war da, und er war wieder weg.
    Doch während er verschwand, hörte ich seinen Schrei, wobei die Musik weiterspielte.
    Er hatte als unsichtbare Person auf der Treppe gestanden, und nur die unmittelbare Nähe meines Kreuzes hatte ihn aus seiner Welt kurz hervorgeholt.
    Ich befand mich wohl auf dem richtigen Weg.
    Die Fete fand zum größten Teil unten statt, auch wenn die Gäste dabei nicht zu sehen waren. Ich würde sie hervorholen und dem Spuk ein Ende bereiten.
    Ich übereilte nichts und ließ die Treppe Stufe für Stufe hinter mir. Unten blieb ich stehen, um mich dort zu drehen.
    Janine und Aram waren meinem Ratschlag gefolgt. Sie hielten sich noch am Ende des Absatzes auf.
    »Was war das vorhin?«, rief mir Janine entgegen.
    »Ein Gast.«
    »Und?«
    »Jetzt gibt es ihn nicht mehr.«
    Sie lachte etwas angestrengt. »Mach nur weiter, John, dann schaffen wir es.«
    Eine Antwort erhielt sie nicht. Vor mir lag der Eingangsbereich. Auch hier verteilte sich das gelbe Licht, das aus zwei Schalenlampen nach unten fiel, die an Ketten von der Decke hingen.
    Genau zwischen den beiden Lampen an der Decke bewegte sich etwas. Sie war recht hell und bildete somit den idealen Untergrund, um etwas zu malen oder zu schreiben.
    Die Botschaft sagte mir, dass die Zeit reif war.
    DIE SÜNDE IST WIEDER DA!
    Okay, ich hatte die Botschaft verstanden. Dann dauerte es nicht einmal drei Sekunden, bis sie sich in die Tat umsetzen und ich das schaurige Fest als Gast erleben konnte.
    ***
    Sie kamen, sie waren plötzlich da, und sie genossen ihren Auftritt. Aus allen geheimnisvollen Verstecken tauchten sie auf, denn hier hatte sich eine andere Welt über die normale geschoben, und zwar eine Welt und eine Zeit, die längst vorbei waren. Sie gehörte in die erste Hälfte des letzten Jahrhunderts, und so malte sich vor meinen Augen ein Spiegelbild der Geschichte ab.
    Die Gäste waren Schauspieler. Aber hier schauspielerten sie nicht, auch wenn es den Eindruck erweckte. Im Hotel waren sie immer unter sich gewesen und hatten keinem etwas vorzumachen brauchen. Niemand hatte sie gestört und heimlich belauscht.
    Jetzt war ich da.
    Ich befand mich zwischen ihnen und musste mich erst an die kalte, ungewöhnliche Luft gewöhnen. Ebenso an den Geruch, in dem sich der Duft von Parfüm und der Gestank von Moder vereinigten.
    Die Schrift an der Decke war verschwunden. Eine unsichtbare Hand musste sie abgewischt haben. Die Musik spielte. Eine Kapelle war nicht zu sehen. Wahrscheinlich stammten die Melodien von einem Grammophon oder einem Plattenspieler.
    Man hatte Spaß. Man kicherte. Ich hörte die Stimmen, die mich umsummten. Direkt wurde ich nicht angesprochen, denn man nahm mich nicht zur Kenntnis. Es war nicht so wie in der zweiten Etage, wo die Nackte plötzlich erschienen war. Oder eine Etage tiefer der schreckliche Maskenmann, der nun von den Würmern zerfressen wurde.
    Dass man mich nicht zur Kenntnis nahm, lag einfach daran, dass die Partygesellschaft zwar existierte, aber nicht aus Fleisch und Blut war. Ich konnte mich zwischen ihnen bewegen, ohne die Teilnehmer zu berühren. Sie stießen nicht gegen mich, sie gingen mir allerdings auch nicht aus dem Weg, sondern tänzelten einfach an mir vorbei. Nur den Geruch und die Kälte hinterließen sie. Alles andere konnte ich vergessen. Es gab keinen körperlichen Kontakt.
    Die Gäste trugen oft farbige Kleidungen. Das bezog sich zumeist auf die Frauen in den engen, figurbetonten Kleidern, während die Männer sich in Smokings und Fräcke gezwängt hatten und sich oft so verhielten, als schritten sie über eine Bühne hinweg. Alles bei ihnen wirkte sehr steif.
    Obwohl die Kleidung der Frauen farbig war,
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