Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Arabiens Stunde der Wahrheit

Arabiens Stunde der Wahrheit

Titel: Arabiens Stunde der Wahrheit
Autoren: Peter Scholl-Latour
Vom Netzwerk:
war.
    Der Vize-Außenminister war offenbar darüber informiert, daß ich lange im libanesischen Gebirge unter den christlichen Maroniten gelebt hatte. So schnitt er im Verlauf der Konversation das Thema der syrischen Truppenpräsenz im Libanon an, die immer wieder in die Schußlinie internationaler Kritik geriet und als Argument benutzt wurde, die israelische Teilokkupation des Südlibanon jenseits von Metullah zu rechtfertigen. »Warum sind wir denn 1976 in die Schwesterrepublik von Beirut eingerückt?« hob Adnan Omran an. »Die christlichen Maroniten waren von physischer Vernichtung bedroht. Die treibende Kraft in diesem Feldzug war, wie Sie wissen, die Fatah-Organisation Yassir Arafats. Ein Gemetzel unter den Christen hätte die bewaffnete Intervention der Israeli zur Folge gehabt, die nur darauf brannten, den Libanon zu ihrem Satelliten zu machen.«
    Der Vizeminister vertraute mir ein Geheimnis an. Bevor Präsident Assad seinen Soldaten den Befehl zum Vorrücken nach We­sten erteilte, hatte er eine endlose Diskussion mit Kamal Jumblat, dem einflußreichen Vorsitzenden des libanesischen »Mouvement National«,geführt. Er hatte den Drusenführer beschworen, seinen Unterwerfungsfeldzug gegen die maronitische Kataeb einzustellen. Von sechs Uhr abends bis sechs Uhr früh habe die Debatte gedauert. Kamal Jumblat, den ich zehn Jahre zuvor als undurchdringliche, hochkultivierte, aber mystisch verstiegene Persönlichkeit kennengelernt hatte, war unnachgiebig geblieben. So seien die Syrer gezwungen gewesen, sich wenigstens vorübergehend auf die Seite der christlichen Maroniten zu schlagen und deren Gegenangriff zu unterstützen.
    Was in dem lockeren Gespräch nicht erwähnt wurde: Kurze Zeit nach diesem dramatischen Disput mit Hafez el-Assad ist Kamal Jumblat, dessen Sohn Walid heute noch im Libanon seine Intrigen spinnt, im Kugelhagel unbekannter Attentäter gefallen. Kein Libanese zweifelte daran, daß die syrischen Mukhabarat diese Aktion geplant und ausgeführt hatten. Was nun die Person Yassir Arafats betraf, so war der PLO-Chef dem Löwen von Damaskus als eine Art Separatist, als ein Verräter an der großsyrischen Sache, als ein unfreiwilliges Instrument der zionistischen Einflußnahme in der Levante von Anfang an verdächtig erschienen. Die Feindschaft war unauslöschlich, auch wenn beide Politiker – wenn sie gelegentlich zusammenkamen – sich getreu der orientalischen Übung des »killing and kissing« wie Brüder in den Armen lagen und einander ­abschmatzten.
    Zu Beginn des Jahres 1991 sollten sich Assad und Arafat wiederum in gegnerischen Lagern befinden. Der Syrer hatte sich in kluger Anpassung an die neue Situation nach dem Zerfall der So­wjetunion in die proamerikanische Koalition des Zweiten Golfkrieges »Desert Storm« eingereiht, während der Palästinenser sich lauthals mit dem Diktator von Bagdad solidarisierte. Frontwechsel sind nichts Ungewöhnliches im Nahen Osten. Sehr bald erkannte der PLO-Chef, daß er in seiner schier aussichtslosen Kraftprobe mit Israel auf das Wohlwollen Washingtons angewiesen war, während die Beziehungen der Damaszener-Diplomatie zu Amerika sich laufend verschlechterten und zur Zeit meines Gesprächs im Außenministerium einen Tiefpunkt erreicht hatten.
    Â»Wirwaren in unseren Kontakten mit den Israeli tatsächlich sehr weit vorangekommen«, bestätigte Adnan Omran mit bemerkenswerter Unbefangenheit. »Von vier entscheidenden Punkten waren zwei bereits abgehakt. Shimon Peres hatte zugestimmt, das gesamte Golan-Gebiet – bis zum letzten Quadratmeter – zu räumen und der Verwaltung seiner rechtmäßigen Besitzer zurückzuerstatten. Wir Syrer hatten unsererseits das Einverständnis für die totale Demilitarisierung und die militärische Überwachung dieses strategisch wichtigen Plateaus gegeben. Vor allem amerikanische Einheiten sollten dabei präsent sein.«
    Zwei Punkte blieben noch offen. Die Israeli drängten auf eine friedliche Kooperation, auf einen positiven Modus vivendi zwischen beiden Staaten, und schließlich war der Zeitplan des Abzugs nicht geregelt. Am Rande dieses Hauptthemas war wohl auch besprochen worden, daß Israel seinen südlibanesischen Okkupationsstreifen im Umkreis von Merjayoun evakuieren und daß die libanesische Armee in diesem kritischen Abschnitt die schiitischen Hizbullahi von
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher