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Arabellas Geheimnis

Arabellas Geheimnis

Titel: Arabellas Geheimnis
Autoren: JOANNE ROCK
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keinen Kamm zu kennen.
    Er musste wohl träumen.
    Keine Frau würde sich mitten in die Wildnis wagen. Diese hier wirkte allerdings so, als gehöre sie zu diesem Wald – wild und unzivilisiert. Sie strahlte eine überirdische Schönheit aus, und Tristan fragte sich, ob er verhext worden sei.
    Ihre seltsame Erscheinung in diesem uralten Baumkreis, den kein abergläubischer Sterblicher je zu betreten riskiert hätte, ließen ihn fast daran glauben. Und bevor die Frau in jähes Schweigen verfallen war, hatte sie in heidnischer Wut die teilnahmslosen Eichen angeheult.
    Tristan verlangte nach einem Beweis dafür, dass dieses Wesen wirklich war. Ganz verzaubert von ihrem einzigartigen Aussehen näherte er sich ihr leise.
    Einen Moment lang bewegte sich die Frau nicht. Sie schien wie erstarrt, blickte Tristan in die Augen und musterte sein Gesicht. Er war ihr so nah, dass er ihren leichten Duft wahrnahm und die feuchte Spur der Tränen bemerkte, die sich über die mit Schmutz verschmierten Wangen zog. Immer noch nicht davon überzeugt, dass sie tatsächlich existierte, hob Tristan die Hand, um sie zu berühren. Mit einer raschen, lautlosen Bewegung sprang das grünäugige Mädchen auf die Füße und rannte davon.
    „Sitzt still, Arabella.“
    Der Befehl der Edeldame klang jetzt wie eine Drohung. Arabella zwang sich, nicht länger rastlos auf der mit Samt bezogenen Bank im Prager Palast des Königs hin und her zu rutschen. Die ganze letzte Stunde lang hatte sie – fast – still gesessen, während die Matrone aus dem königlichen Gefolge sich recht rabiat darum bemühte, ihr ein der Reise nach England angemessenes Gewand zu verpassen. In dem oberen Gemach, das Arabella und etlichen anderen Edelfrauen aus weit entfernten Teilen Böhmens während dieser Tage als Heim diente, saßen noch fünf andere junge Frauen ruhig vor ihren Zofen.
    Lady Hilda murrte leise vor sich hin, während sie mit Arabella beschäftigt war.
    „Der gütige Himmel möge uns beistehen, aber Ihr gehört genauso wenig zu einer königlichen Entourage wie eine Wildkatze.“
    „Achte gar nicht auf sie, Arabella“, flüsterte eine mädchenhafte Stimme an ihrer Seite. „Du bist eine wundervolle Ergänzung für unsere Gesellschaft.“
    Maria Natansia, Arabellas einzige Freundin, seitdem sie in Prag angekommen war, lächelte ihr kurz zu, während sie beide unter den nicht allzu sanften Händen von Edeldame Hilda litten. Sie war eine entfernte Verwandte der Prinzessin und besaß genug Titel, um sich die Freiheit herausnehmen zu können, ihre Meinung zu sagen.
    So viel hatte Arabella während ihres kurzen Aufenthaltes in der adligen Welt bereits gelernt: Titel verschafften einer Frau hier Respekt. Hingegen hinterließen das Beherrschen der Heilkunst oder die Fähigkeit, Leben retten zu können, in diesen Kreisen keinen maßgeblichen Eindruck.
    „Ich danke Euch.“ Sie lächelte der reizenden Blonden zu, die eine so helle Haut besaß, dass Hilda begeisterte Bemerkungen darüber machte.
    Maria, ein zurückhaltendes Mädchen von achtzehn Sommern, war das Mündel von König Wenzel IV., und da der böhmische König auch deutscher König war, bedeutete dies eine sehr angesehene Stellung. Und obwohl Arabella daraus schloss, dass die junge Frau reich genug war, um das glanzvolle Hofleben Prags zu beherrschen, mied Maria das Treiben bei Hofe.
    Seit ihrer Ankunft in der Stadt vor drei Tagen, war Arabella nur noch mit den Vorbereitungen für die bevorstehende Reise nach England beschäftigt. Unter der gewissenhaften Anleitung der Kammerzofen der Prinzessin hatte sie ein wenig an ihren eigenen Surcots gearbeitet. Sie war davon unterrichtet worden, was auf dieser Reise von ihr erwartet wurde. Aber sie hatte es nicht gewagt, sich längere Zeit aus den Frauengemächern zu entfernen, und heute Abend würde ihr erstes offizielles Abendessen in der Prager Burg stattfinden.
    Sie war aufgeregt. Ihr alter Surcot für festliche Anlässe hatte neben den glänzenden Gewändern der Frauen, die sie zwar höflich grüßten, sich dann aber mit abschätzenden Blicken von ihr abwandten, ausgesehen wie ein Bauernkittel. Es war auch nicht hilfreich gewesen, dass sie in Begleitung ihrer Großmutter am Burgtor erschienen war. Zaharia war eine weise und gelehrte Frau, doch Abergläubige nannten sie eine Zauberin.
    Aber Maria Natansia warf Arabella weder ihre Familie noch ihre wenig modische Erscheinung vor.
    „So“, verkündete Hilda mit einem zufriedenen Lächeln, als sie ihr Werk beendet
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