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Aqualove

Aqualove

Titel: Aqualove
Autoren: Nola Nesbit
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nicht mehr, was ich glauben sollte. Würde Alex noch für mich da sein? Würde ich Pearl je wieder mit den gleichen Augen betrachten, als ich noch nicht wusste, dass sie aus dem Wasser kam? Würde ich mit Cola je darüber reden können? Wie konnten wir nicht über die Menschen reden, denen sie ihre Körper genommen hatten? Es war eine Sache, zu überleben – es war eine andere, mit der Realität danach zurechtzukommen. Ethan beugte sich über mich. Sein Gesichtsausdruck war hilflos.
    „Lass mich!“, blaffte ich. Es tat mir in dem Augenblick leid, in dem die Worte meinen Mund verlassen hatten. Ethan war das Einzige, was für mich noch Sinn machte. In meinem Kopf spielte ich eines meiner Lieblingslieder ab. Ich würde jetzt einfach liegen bleiben. Nichts tun. Abwarten. Es war mein Recht, mich für nichts zu entscheiden. Mir war zum Heulen zumute. Ein unregelmäßiges Beben meines Brustkorbs bereitete den Weg für die aufkommenden Schluchzer, die aus meinem Mund drängten. Ich wollte nicht heulen.
    „Wir müssen jetzt, Leute“, hörte ich Levents laute Stimme, als er das Zimmer betrat. Ich machte mich noch kleiner in der Hoffnung, dass er mich vielleicht übersehen würde. Er war derjenige, von dem ich mir Hilfe erhofft hatte. Klarheit. Rückhalt. Er war plötzlich so verschlossen. Ethan wechselte ein paar geflüsterte Worte mit Levent. Die leisen Schritte, die seine nackten Füße auf dem Holzboden machten, entfernten sich wieder.
    An meinem Rücken wurde es plötzlich warm. Ethan hatte sich an mich geschmiegt. Sein Kopf lag direkt hinter meinem, er umarmte mich, und sein Mund war direkt an meinem Ohr. Seine Stimme war nur ein leises Raunen, als er begann: „Ich schulde dir noch eine Geschichte.“
    „Nicht jetzt“, befahl ich zwischen den Schluchzern.
    „Doch. Genau jetzt und hier. Hör zu! Vor ziemlich genau vier Jahren hatte ich einen durch und durch menschlichen Unfall. Unter Wasser stehen uns eine Menge euch fantastisch erscheinender Fähigkeiten zur Verfügung, aber hier oben auf der Erde sind wir auch einfach nur Menschen.
    Direkt vor meiner Firma ist mir jemand in meinen Wagen reingefahren. Es war eine Sache von Sekunden. Fahrerflucht. Einige Zeugen hatten eine blonde Frau am Steuer gesehen, aber weder sie noch ihr Wagen wurden je gefunden.
    Als die Feuerwehr mich rausgeschnitten hatte, war ich noch bei Bewusstsein und ganz guter Dinge. Als Arzt konnte ich ungefähr einschätzen, was passiert war. Mein linkes Bein war ruiniert. Aber hey, ich war Ethan Waterman. Ich hatte mehr Geld, als ich je ausgeben konnte, zwei ordentliche Uniabschlüsse, meine geschäftlichen Leistungen waren überall auf der Welt anerkannt, bei meinem Volk hatte ich Heldenstatus. Ich war ganz oben. Was konnte mir schon passieren? Als ich ins Krankenhaus eingeliefert wurde, unterhielt ich mich noch mit dem Kollegen, der die Operation machen würde. Er war ein Spezialist. Ich war in guten Händen.
    Als ich ein paar Tage später wieder aufwachte, sah mein Bein wie ein gerade begonnenes Projekt für Hoch- und Tiefbau aus. Da schwante mir, dass ich mich vielleicht geirrt hatte.
    Wochenlang durfte ich mich kaum bewegen. Eine Operation folgte der anderen. Ohne Medikamente waren die Schmerzen kaum auszuhalten. Unendlich lange Tage verbrachte ich im Bett oder im Rollstuhl mit einem Gips von der Hüfte bis zu den Zehen. Ich konnte nicht mal allein auf die Toilette gehen. Der große Ethan Waterman. Und selbst als die Stangen, der Gips und die meisten Schrauben und Platten entfernt waren, blieben Knie und Fuß steif. Ich konnte kaum mehr als eine halbe Stunde an den Krücken gehen. Mit den Schmerzmitteln war an ein vernünftiges Arbeiten kaum zu denken. Ich bezahlte die besten Physiotherapeuten und rackerte mich ab. Die Erfolge waren minimal. Ich war jung und hatte doch so wenig Zeit.
    Ich flehte meinen Bruder an, mich ins Wasser zu lassen. Vielleicht funktionierte das Bein wieder, wenn ich in meinem ursprünglichen Element war. Ich wollte Kontakt zu meinen Leuten aufnehmen. Hätte Felix mich nicht herausgezogen, ich hätte es nie wieder an die Wasseroberfläche geschafft. Ich war ein Krüppel auf der Erde und unter Wasser. Mit einem Schlag erkannte ich, dass ich alles verloren hatte. Ich wollte dieses Leben nicht mehr, weder unter noch über Wasser. Ich wollte morgens nie wieder aufwachen.“
    Seine hypnotische Stimme sprach geduldig weiter in mein Ohr, und ich lauschte gebannt. „Tatsache ist, dass ich wider alle Prognosen seit zwei Jahren
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