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Aprilgewitter

Titel: Aprilgewitter
Autoren: Lorentz Iny
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befürchten, liebe Gräfin Trettin«, mischte sich da die Gastgeberin ein, die zu Lore und Fridolin getreten war. »Ihre angeheiratete Verwandte Malwine ist hier in Berlin nämlich Persona non grata geworden. Man hat herausgefunden, dass sie die Geliebte dieses Majors von Palkow war, der im Falle Ihres Herrn Gemahls eine höchst unrühmliche Rolle gespielt hat. Und das ist noch nicht alles! Wie ich aus sicherer Quelle weiß, hatte Palkow sich mit einem französischen Spion verbündet, um hier in Berlin Unfrieden zu stiften, und Malwine hat ihn mit ihren Lügen dabei unterstützt. Ich sage Ihnen …«
    »Meine liebe Tante, du verrätst gerade Staatsgeheimnisse!« Staatsanwalt von Bucher legte sich den Zeigefinger auf die Lippen und bemühte sich dabei, so streng wie möglich zu schauen. Dabei zwinkerte er Fridolin zu und bot Lore den Arm. »Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, Graf, wenn ich Ihre Gemahlin zum ersten Tanz dieses Abends entführe. Sie können sich in der Zwischenzeit meiner Tante widmen.« Damit verneigte er sich vor Lore und trat mit ihr zu den anderen Paaren, die sich in der Mitte des Saales versammelten und auf den ersten Takt der Militärkapelle warteten, die Frau von Stenik für diesen Abend engagiert hatte.
    Es war nicht der letzte Tanz, zu dem Lore aufgefordert wurde, und sie war froh, als die Kapelle schließlich zum Abschluss »Heil dir im Siegerkranz« und die Preußenhymne spielte und danach ihre Instrumente einpackte.
    »Wir sollten die Gelegenheit nutzen und uns ebenfalls verabschieden«, raunte sie Fridolin zu und deutete auf bereits dem Ausgang zustrebende Gäste.
    »Dein Wunsch ist mir wie stets Befehl«, antwortete Fridolin lächelnd und trat Arm in Arm mit ihr auf Frau von Stenik zu.
    »Ich freue mich, dass Sie gekommen sind«, sagte diese und schien es zu Lores Überraschung sogar ehrlich zu meinen. »Auch würde ich mich freuen, Sie in den nächsten Tagen in Mrs. Penns Modesalon treffen zu können. Ihr Geschmack, was Kleidung betrifft, ist einfach unübertrefflich, liebste Gräfin!«
    »Ich schicke Ihnen Nachricht, wann ich unsere liebe Mary aufsuchen werde«, antwortete Lore freundlich und folgte dann Fridolin nach draußen. Als sie in ihrem Wagen saßen, konnte sie nicht mehr an sich halten und brach in schallendes Gelächter aus.
    »Was ist mit dir?«, fragte ihr Mann besorgt.
    »Gar nichts! Ich amüsiere mich nur über die Kapriolen des Schicksals. Wer hätte vor einem Jahr gedacht, dass Frau von Stenik mich als lieben Gast ansieht und Wilhelmine Grünfelder mich als ihre beste Freundin.«
    »Die Zeiten wandeln sich«, antwortete Fridolin in Gedanken. »Wer heute noch tief unter uns steht, kann uns morgen bereits überragen.«
    »Und wer heute noch oben steht, kann morgen sehr tief fallen«, entgegnete Lore. »Aber daran wollen wir jetzt nicht denken. Auf jeden Fall freue ich mich für Dorothea und Thomas. Die beiden hatten fast schon die Hoffnung aufgegeben, doch noch Eltern werden zu können. Nun liegt bei ihnen eine kleine Lore in der Wiege. Dabei fällt mir ein: Sollten wir eine Tochter bekommen, müssen wir sie unbedingt Dorothea nennen. Wird es aber ein Sohn, weiß ich nicht, ob er nun Thomas heißen soll oder nicht doch besser Wolfhard Nikolaus nach meinem Großvater. In sechs Monaten sollten wir uns entschieden haben.«
    Zuerst begriff Fridolin nicht, was Lore damit ausdrücken wollte, dann aber tastete er in dem Dämmerlicht, das die Laternen des Wagens verbreiteten, nach ihr. »Sag bloß, du bekommst ein Kind!«
    Lore lehnte sich an ihn und schnurrte wie ein Kätzchen. »Wie es aussieht, ist ein längerer Aufenthalt in der Schweiz diesem Zustand durchaus zuträglich. Dies hat erst Dorothea und Thomas geholfen und jetzt auch dir und mir.«

Nachwort
    D ie letzten Jahrzehnte des neunzehnten Jahrhunderts waren eine dynamische Zeit, in der große Erfindungen der Menschheit gemacht wurden. Allerdings waren sie auch eine Zeit des hemmungslosen Nationalismus. Das betraf vor allem Deutschland. Bis 1871 aus einer ganzen Reihe von Einzelstaaten bestehend, wirkte sich die Reichsgründung nach einem militärischen Sieg über Frankreich auf viele Kreise wie ein Rausch aus. Die maßgeblichen Männer des neuen Staates fühlten sich groß und mächtig und strebten nach einem Platz an der Sonne.
    In einer solchen nationalen Stimmung wirkte der Deutsche Kaiser Wilhelm I. beinahe wie ein Anachronismus. Bei seiner Kaiserproklamation in Versailles bereits weit über siebzig Jahre alt,
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