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Aprilgewitter

Titel: Aprilgewitter
Autoren: Lorentz Iny
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Dörfler Fridolin und dessen Begleiter erreicht hatten und Dorothea Simmern wieder auf eigenen Beinen stand, zeigte ihr Gesicht weniger Trauer als Entschlossenheit.
    »Los, wir müssen zu graben beginnen«, forderte sie ihren Mann auf.
    »Das hat jetzt auch keinen Sinn mehr«, antwortete dieser.
    Dorothea sah ihn kopfschüttelnd an. »Wir müssen rasch machen, wenn wir Lore, Nati und die Zofe retten wollen!«
    Fridolin sah mit trauriger Miene zu ihr auf. »Aber die sind doch tot!«
    »Sind sie nicht!«, rief Dorothea erregt. »Schaut doch, dort steigt Rauch über dem Schnee auf. Die Leute aus dem Dorf sagen, dies müsse der Schornstein der Hütte sein. Wie es aussieht, ist das Haus nicht zusammengebrochen. Lore und die anderen sind jedoch von den Schneemassen eingeschlossen und machen auf diese Weise auf sich aufmerksam!«
    »So ist es«, erklärte einer der Dörfler bemüht, für die deutschen Besucher verständlich zu sprechen. »Das ist schon öfter in unserer Gegend passiert. Erst vor drei Jahren haben wir eine alte Frau ausgegraben, über deren Hütte ebenfalls eine Lawine abgegangen ist. Da hat der Kamin auch aus dem Schnee herausgeschaut, und wir haben den Rauch von ihrem Ofen sehen können.«
    »Ihr meint, Lore könnte noch leben?« Fridolin sprang auf und begann mit bloßen Händen zu graben. Doch der Dörfler hielt ihn auf.
    »Lassen Sie! Dafür ist der Schnee zu fest zusammengepresst. Sie machen sich bloß die Finger kaputt. Ich habe den Urs ins Dorf geschickt, damit er die anderen Männer zusammenruft und Schaufeln mitbringt. Außerdem benötigen wir Fackeln, denn wir werden bis tief in die Nacht hinein graben müssen!«
    Fridolin sah ihn mit wachsender Hoffnung an. »Wenn Sie und Ihre Kameraden meine Frau retten können, bekommen Sie alles von mir, was Sie nur wollen.«
    Der Bergler wusste, wie viel von solchen Versprechen zu halten war, aber er hatte nichts gegen ein paar Geldscheine, die die Deutschen anschließend verteilen würden. Mit ausholenden Gesten rief er die anderen Dörfler zu sich und beriet sich mit ihnen, wo sie am besten graben sollten.
    »Können wir nicht von oben bis zum Dach graben und dort ein Loch schlagen, um die Eingeschlossenen herauszuholen?«, fragte Fridolin.
    Der Dörfler schüttelte den Kopf. »Die Schneelast ist zu groß. Wir würden riskieren, dass das Dach unter uns zusammenbricht und die Frauen erschlägt!«
    Fridolin schluckte und trat beiseite. Dabei sah er so aus, als würde er sich statt einer Handvoll Schweizer Bergbewohner einen der modernen Dampfbagger wünschen, der mit einem einzigen Hub seiner Schaufel so viel Schnee wegschaffen konnte wie ein Dutzend kräftiger Männer in der zehnfachen Zeit.
    Das Warten wurde zur Qual. Nur die Tatsache, dass immer noch Rauch aus dem Schornstein quoll, ließ Fridolin die sich schier bis ins Unendliche dehnende Zeit ertragen. Thomas und Konrad versuchten, ihn zu beruhigen, dabei fieberten sie nicht weniger der Ankunft der Männer mit den Schaufeln entgegen als Fridolin.
    Unterdessen hatten die Einheimischen für Dorothea und Caroline eine Art Schneehütte errichtet, in der sie vor dem scharfen Wind geschützt sitzen konnten. Ihre dicken Mäntel hielten sie warm, doch in ihrer Erregung hätten sie die Kälte wohl ohnehin nicht bemerkt.
    »Gebe Gott, dass alles gut geht! Ich werde Nati nicht zu sehr schelten, weil sie von der Schule geflogen ist, und Lore auch nur ein bisschen«, sagte Dorothea zu ihrer Begleiterin.
    »Ich würde meines Lebens nicht mehr froh werden, wenn Frau Lore hier sterben sollte. Ganz uneigennützig hat sie Herrn Hilgemann und mir geholfen. Sie ist ein Engel!« Caroline brach in Tränen aus und brachte beinahe auch Dorothea zum Weinen.
    Inzwischen waren die ersten Männer mit Schaufeln eingetroffen und verteilten diese. Fridolin, Konrad und Thomas forderten ebenfalls Schaufeln für sich, mussten aber warten, bis die nächsten Männer aus dem Dorf erschienen. Es kamen sogar etliche Frauen mit herauf und beteiligten sich an der Arbeit.
    Innerhalb kurzer Zeit gruben sie eine Schneise in den mächtigen Schneeberg und arbeiteten auch in gleicher Geschwindigkeit weiter, als die Dämmerung hereinbrach und Fackeln entzündet werden mussten. Da der Schnee immer weiter weg geschafft werden musste, befürchtete Fridolin, es würde nun langsamer gehen.
    Aber kurz darauf erschienen weitere Frauen, die Decken und Säcke mitbrachten. Auf die warfen die Dörfler nun den Schnee, während etliche Frauen sich in einer langen
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