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Apollofalter

Apollofalter

Titel: Apollofalter
Autoren: Gmeiner-Verlag
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umgegangen?«
    »Vorbildlich.« Sie knüllte das Batisttaschentuch zusammen. »Jedenfalls glaubte ich das immer. Ich habe mir auch nichts dabei gedacht, dass die Tierchen jedes Mal nach kurzer Zeit gestorben sind. Jeder weiß ja, dass ihre Lebenszeit begrenzt ist.«
    Franca ahnte bereits, wohin alles führte. Aber sie wollte die Frau nicht unterbrechen.
    »Aber vielleicht wollte ich vieles nur nicht wahrhaben. Jedenfalls habe ich ihn eines Tages beobachtet.« Die Frau schluckte und zupfte das Taschentuch wieder auseinander, das sie vorher zusammengeknüllt hatte. Es fiel ihr offenbar sehr schwer, weiter zu reden. »Er dachte, er sei allein im Haus. Da hat er eins der Tierchen gequält. Ganz furchtbar war das. Mir wurde richtig schlecht und ich hab ihn angeschrieen, was er da mache. Er war sehr erschrocken und versuchte, sich rauszureden ...«
    »Wie alt war Marcus da?«, fragte Franca leise.
    »Zehn, elf. Vielleicht auch schon zwölf. Ich weiß es nicht mehr und ich wollte das auch ganz schnell wieder vergessen.« Sie holte tief Luft. Ihr rundes Gesicht war gerötet. »Vielleicht habe ich auch nicht hinsehen wollen. Weil ich Angst hatte, dass er was Schlimmeres tun könnte. Aber es gab sonst wirklich kaum etwas an ihm auszusetzen. Je älter er wurde, umso manierlicher benahm er sich, und er war gut in der Schule. Die Lehrer waren voller Lob.«
    Das Unfassbare hat ganz langsam Gestalt angenommen. Bis sie es nicht mehr vor sich leugnen konnte, dachte Franca.
    »Hält Ihr Sohn Schlangen?«, kam Hinterhuber auf den Punkt. Franca warf ihm einen warnenden Blick zu. Lass sie reden!, bedeutete sie ihm.
    Die Frau nickte. Sie schien nicht verwundert über die Frage. »Irgendwann sprach Marcus davon, dass er sich eine Schlange anschaffen wolle. Natürlich versuchte ich, ihm das auszureden. Ich kann Schlangen nicht leiden, ich habe Angst vor ihnen. Er meinte, er müsse unbedingt beobachten, wie sie sich häuten und all so was. Für ein Schul-Projekt. Eines Tages kam er dann mit einer Kreuzotter nach Hause. Ich weiß nicht, wo Marcus die Schlange herhatte. Ich habe mit ihm geschimpft. Aber er hatte bereits heimlich im Schuppen ein Terrarium für sie hergerichtet. Dort hat er die Schlange gehalten.« Sie biss sich auf die Lippen, die inzwischen ganz aufgesprungen waren und an manchen Stellen bluteten.
    »Irgendwann wollte ich sehen, was es mit der Schlange auf sich hatte. Ich überwand meinen Widerwillen und ging in den Schuppen. Da stand er. Vor dem Terrarium. Mit einer lebenden Maus in der Hand. Als ich ihn so da stehen sah, da lief es mir eiskalt den Rücken hinunter. Er hielt die Maus am Schwanz. Sie zappelte in Todesangst. Die Schlange im Terrarium zischte und wand sich. Aber Marcus hielt die Maus so hoch, dass die Schlange nicht dran kam. Es machte ihm sichtlich Spaß, dieses Spiel. Das war der Moment, in dem ich ahnte, es wird nie vorbei sein.« Sie schüttelte den Kopf. »Und als dann die Sache mit dem Mädchen passierte, da hab ich ... «
    »Ihnen war sofort klar, dass Marcus als Täter in Frage kam?«, fiel ihr Franca entsetzt ins Wort.
    »Ich habe daran gedacht, ja.« Die Frau nickte. »Das Mädchen war ab und zu bei uns gewesen. Wegen dieses Forschungsprojekts, für das sie sich angemeldet hatten. Das hat Marcus auf seinem Computer bearbeitet. All das Grafische und die Bilder und Texte zusammenstellen und so. Damit kannte er sich aus. Hannah war ein liebes, aufgewecktes Ding. Ich mochte sie sehr gern. Sie war so herzlich und nett. Und sie schien auch Marcus zu mögen.« Sie holte tief Luft. »Und dann habe ich eines Tages seinen Blick gesehen. Diese kalten Augen, mit denen er sie ansah. Ich habe wirklich überlegt, ob ich mich da einmischen soll. Ob ich sie warnen soll. Aber was hätte ich denn sagen sollen? Ich ... ich habe natürlich gehofft, dass ich mich täusche. Er ist doch trotz allem mein Kind«, stieß sie mit leiser, zitternder Stimme hervor.
    Was muss das für ein Gefühl sein?, dachte Franca. Man sieht das Schreckliche auf sich zurollen. Man ahnt, alles könne in einer Katastrophe enden. Und man kann nichts tun. Weil man nie hundert Prozent sicher sein konnte, ob man mit seinen Vermutungen richtig lag oder nicht.
    »Hat Marcus sich dazu geäußert, weshalb er an diesem Forschungsprojekt mitgemacht hat?«, fragte Hinterhuber .
    »Dieser wissenschaftliche Aspekt hat Marcus interessiert. Und es machte ihm auch Spaß, seine Computerkenntnisse vorzuführen. Aber ich glaube, es ging ihm hauptsächlich darum, sich
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