Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Apollofalter

Apollofalter

Titel: Apollofalter
Autoren: Gmeiner-Verlag
Vom Netzwerk:
Augen.
    Zuerst streifte sie den Pulli ab, danach den Rock. Nun trug sie nur noch ein Höschen, das weiß leuchtete. Er sah ihre knabenhaften Brüste. Winzige Erhebungen mit kleinen Knospen drauf.
    Der Schweiß brach ihm aus. Sein Gesicht brannte wie Feuer, als sie das Höschen abstreifte. Ein Anblick, der ihm wie ein Stromstoß durch den Körper fuhr. Mit der einen Hand hielt er das Fernglas fest, mit der anderen zog er den Reißverschluss seiner Hose auf, während er weiter zu ihr hinüberstarrte. Seine Finger berührten blanke Haut. Die Erregung ließ ihn taumeln. Ihr Bild glitt weg. Sofort fing er es wieder ein. Hechelte wie ein Hund. Seine Brust hob und senkte sich in kurzen Abständen. Kehlige Laute drangen aus seinem Mund. Sein Körper zuckte und vibrierte. Er schwebte, er flog. Ein Wirbel, eine nicht enden wollende Himmelfahrt. Warmer, süßer Nektar durchflutete seinen Körper, und die Welt um ihn herum begann in einem unwirklichen Glanz zu flimmern.
    Plötzlich wurde die Stille von einem Geräusch durchbrochen. Abrupt hielt er in seinem Tun inne. Seine Mutter stand in der Zimmertür und schaltete das Licht ein. Vollkommene Verblüffung im Gesicht. Erschrocken blinzelte er, fuchtelte mit den Händen und versuchte, seine Blöße zu bedecken.
    Mit großen Augen sah sie an ihm herunter, wollte etwas sagen, machte aber sofort den Mund wieder zu.
    Er stand da wie eine Salzsäule. Die Hose war ihm in die Kniekehlen gerutscht. Krampfhaft hielt er die Hände schützend vor seinen Schoß. In der einen Hand noch immer das Fernglas.
    »Schämst du dich denn gar nicht?«, sagte sie schließlich leise, drehte sich um und ging aus der Tür.
     

1
    Drüben auf der anderen Rheinseite tauchte eine Häuseransammlung auf. Dazwischen zwei Kirchtürme. Dann war der Ort auch schon vorbei. So schnell, dass der in Großbuchstaben ans betonierte Ufer gemalte Name bereits vorübergehuscht war.
    In der Scheibe blickte ihm sein Gesicht entgegen. Undeutlich nur, nicht mehr als ein Schemen. Andreas Kilian. Ein Mann in mittleren Jahren mit schütterem Haar und hässlichen Tränensäcken unter den Augen. Nicht zu vergessen der verkniffene Zug unter dem ergrauten Schnurrbart.
    Angewidert wandte er den Blick von der schattenhaften Spiegelung, lenkte ihn nach draußen, wo sich auf der Kuppe des gegenüberliegenden Hügels ein Schloss mit Türmchen und Zinnen erhob.
    Den Rhein mochte er nicht, seit er ihn als Kind zum ersten Mal gesehen hatte. Als etwas Bedrohliches hatte er ihn im Gedächtnis behalten. Ein breiter, dunkler Strom, der Schiffe tragen und Kinder verschlucken konnte. Er wandte sich wieder dem Buch auf seinem Schoß zu. Aus den Augenwinkeln beobachtete er, wie der Mann, der ihm im Zugabteil gegenübersaß, umständlich eine Butterbrottüte aus einer seiner zahlreichen Taschen kramte. Ein älterer Herr mit einer markanten Hakennase, in Strickweste, Cordhosen und braunen Schnürschuhen. Pergamentpapier raschelte. Der Geruch von Butter und Käse streifte Kilians Nase. Der Mann begann geräuschvoll zu kauen. Als er auch noch eine Banane schälte, meinte Kilian, es hier nicht mehr aushalten zu können. Nichts hasste er mehr als den Geruch reifer Bananen, dem er in diesem engen Zugabteil gnadenlos ausgesetzt war.
    Er schloss die Augen und versuchte, flach zu atmen. Sofort sah er eine riesige Obstschale vor sich, die in der Küche seiner Eltern stand. Äpfel, Birnen, und obenauf eine Bananenstaude. Vitamine. »Ihr müsst Obst essen!«, das war der ständige Leitspruch seiner kriegsgeschädigten Mutter. Das, was sie jahrelang hatte entbehren müssen, war ihr unendlich kostbar geworden. Sie hatte nie verstanden, dass ihr Sohn keine Bananen mochte. Dass ihm allein der Gedanke daran Brechreiz verursachte.
    Das Buch auf seinem Schoß rutschte herunter. Er bückte sich und hob es wieder auf. Dabei begegnete er dem Blick des Mannes. Dieser hatte inzwischen alles aufgegessen und wischte sich mit einer Serviette die Krümel von der Cordhose. Den Abfall steckte er in die silberfarbene Klappe unter dem Fenster. Es roch immer noch penetrant nach Banane.
    »Interessante Lektüre?« Der Mann beugte sich vor, um den Titel des Buches zu entziffern. Auch beim Sprechen erzeugte er dieses merkwürdige Geräusch, das offenbar von einem schlecht sitzenden Gebiss herrührte.
    Kilian zuckte mit den Schultern. Der Name Nabokov würde diesem Mann sicher nichts sagen. Zudem hatte er keine Lust auf ausgetauschte Nichtigkeiten mit Menschen, die er nie wiedersehen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher