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Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16

Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16

Titel: Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16
Autoren: Adam Nevill
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Blumenkübeln und den reich verzierten Säulen neben dem Treppenaufgang aus Marmor stand, kam sie sich klein und unbedeutend vor. »Nicht zu fassen.«
    Hinter ihrem Spiegelbild in dem makellos sauberen Glas der Türen konnte sie eine weitläufige, mit Teppichen ausgelegte Eingangshalle erkennen, durch die man zu einem Rezeptionspult gelangte. Dahinter bemerkte sie zwei Männer mit akkuratem Haarschnitt, die silberne Westen trugen. »Verdammt.«
    Sie lachte über sich selbst. Kam sich albern vor, so als hätte sich ihr banales Leben mit einem Mal in eine Hollywood-Fantasie verwandelt. Dann kontrollierte sie noch einmal die Adresse auf dem Briefumschlag, den sie von dem Anwalt bekommen hatte. Darin befanden sich alle nötigen Angaben, um an die Schlüssel zu kommen. Um hier ein und aus zu gehen.
    Kein Zweifel, dies war das richtige Gebäude. Das war ihr Haus.

2
    Da war wieder diese Gestalt, die Seth von der anderen Straßenseite her beobachtete. Diesmal stand sie in der Lücke zwischen zwei geparkten Autos am Straßenrand, statt in einem Ladeneingang herumzulungern oder vom Ende der Straße herüberzustarren, wie sie es schon öfter getan hatte.
    Sie war jetzt näher gekommen, deutlicher zu sehen, schien selbstsicherer geworden zu sein. Unbeirrt von dem vom Wind gepeitschten Regen blickte sie herüber. Sah ihn an.
    Sie?
    Seth vermutete eher, dass es ein Junge war, aber er war sich nicht sicher. Auch wenn die Gestalt den Kopf jetzt nicht mehr gesenkt hielt, konnte er unter der schmutzigen Kapuze des Parkas das Gesicht nicht erkennen. Es war bestimmt nur ein Kind, das sich draußen herumtrieb, statt in die Schule zu gehen, weil seine Eltern sich nicht um ihn kümmerten. Der Junge stand direkt gegenüber dem Pub The Green Man, über dem Seth eine Einzimmerwohnung hatte.
    Vielleicht wartete er ja nur darauf, dass sein Vater oder seine Mutter aus dem Pub kam. Aber seltsamerweise schien diese Gestalt sich für ihn zu interessieren, als hätte sie auf ihn gewartet. Und das tat sie bereits seit drei Tagen, immer an derselben Stelle der Essex Road und immer dann, wenn er Feierabend hatte.
    Es war ein ziemlich ungewöhnliches Kind: von Kopf bis Fuß in einen ausgeblichenen Khaki-Parka gehüllt. Oder war das Ding grau? Es war nicht einfach, die Farbe des Stoffes inmitten der nass glänzenden Umgebung vor dem Hähnchen-Grill mit dem schmutzigen roten Imbiss-Schild auszumachen. Auf jeden Fall trug die Gestalt einen dieser altmodischen Kapuzenmäntel, wie er sie schon seit Jahren nicht mehr gesehen hatte. Er hätte gar nicht gedacht, dass die noch hergestellt wurden.
    Dunkle Hosen trug er auch. Keine Baggy-Jeans oder Outdoor-Hosen, wie die meisten jungen Leute sie heutzutage anhatten, sondern richtige Hosen. Wie die von einer Schuluniform. Schlecht sitzend und mit zu langen Hosenbeinen, als hätte er sie von einem älteren Bruder übernommen, wie das in ärmeren Familien üblich war. Vervollkommnet wurde das Erscheinungsbild von einem Paar schwarzer Schuhe mit breitem Absatz. Solche hatte er auch schon lange nicht mehr gesehen, jedenfalls nicht seit er die Grundschule verlassen hatte, und das war irgendwann in den Siebzigern gewesen.
    Normalerweise ignorierte er die Leute um sich herum, wenn er durch London ging, vor allem vermied er es, die Jugendlichen anzusehen, die in diesem Teil der Straße lebten. Viele von ihnen tranken, und Seth wusste nur zu gut, was passieren konnte, wenn man jemanden anstarrte. In dieser Gegend gab es ziemlich viele Heißsporne. Sie waren zu schnell erwachsen geworden und kehrten nun die Machos heraus, um von ihrem jugendlichen Alter abzulenken. Aber der da drüben war anders. Durch seine Verletzlichkeit und seine Einsamkeit unterschied er sich deutlich von den anderen. Er erinnerte Seth an seine eigene Jugend, und er spürte so etwas wie Mitleid mit dieser Gestalt. Alle Erinnerungen an seine eigene Kindheit waren schmerzhaft. Er war von den Stärkeren terrorisiert worden und spürte die damals erlittenen Qualen noch heute, genauso wie den bohrenden Schmerz in seinem Herzen, als seine Eltern sich scheiden ließen.
    Aber was Seth am meisten überraschte, war die merkwürdige Gefühlsaufwallung, die ihn erfasste, als er das eigenartige kindliche Wesen dort drüben betrachtete. Die bloße Anwesenheit dieser Gestalt packte ihn mit einer derartigen Wucht, dass er kurzzeitig erschrocken und völlig durcheinander war. Es kam ihm vor, als würde er direkt angesprochen oder in einer Menschenmenge unerwartet von
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