Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Anthologie - Das Lustbett

Anthologie - Das Lustbett

Titel: Anthologie - Das Lustbett
Autoren:
Vom Netzwerk:
altmännerwäßrigen hellblauen Augen des Wärters zu starren, die sich hinter goldgefaßten Gläsern verbargen, umrahmt von tausend Fältchen.
    Der Wärter…
    Was wir nicht einmal de Gaulle zugetraut hatten, war uns gelungen.
    Blitzstart. Hoch die Hosen, die Feinarbeit mußte später erledigt werden…
    »Attendez!«
    Irgend etwas in der Stimme ließ uns abrupt stehenbleiben. Wir drehten uns um. Der alte Mann lächelte uns an mit einem Gesicht, das an einen frischgepflügten Acker im Frühling erinnerte.
    »Mein Kollege ist losgelaufen, um die Flics zu holen«, sagte er mit ruhiger Stimme.
    Ich glaubte ihm jedes Wort, denn wir konnten deutlich das Getrampel schwerer Schuhe hören – noch waren sie ein paar Säle weiter weg.
    »Komm, wir verschwinden in die andere Richtung«, sagte ich und ergriff Harriets Hand.
    »Nein, nein, beruhigen Sie sich ein wenig«, sagte der Alte.
    Die Schritte kamen immer näher.
    »Auch ich bin einmal jung gewesen«, sagte er mit einem zahnlosen Grinsen, »obwohl ich zugeben muß, daß es zu meiner Zeit doch nicht ganz so wild zuging.«
    Die Schritte… sie mußten jeden Augenblick hier sein…
    »Hinter der Tür da«, sagte der Wärter und zeigte uns den Weg, »führt eine Treppe zum Notausgang. Beeilen Sie sich bloß, ich habe nichts gesehen.«
    Er nahm seine Brille ab und steckte sie in die Tasche.
    Zehn Sekunden später standen wir im Schatten der Linden im Park und ordneten an unserer Kleidung das, was wir eben nicht mehr hatten richten können. Wir waren noch ein bißchen aufgeregt.
    Ich küßte Harriet sacht auf die Stirn. Harriet küßte mich sacht aufs Kinn.
    »Du…«
    Blitzende Augen, zum Lachen bereit.
    »Mmmm…«
    »Jetzt gehen wir zur Orangerie und sehen uns die badenden Mädchen von Renoir an.«
    »Du bist wirklich unmöglich!«
III
    Wir verließen den Schatten um der sonnenüberfluteten Spazierwege willen, und kamen zu den kühlen Arkaden der Rue Rivoli, gingen am Gebäude des Schwedischen Klubs vorbei und setzten unseren Weg zur Place de la Concorde fort. Die Cafes waren noch immer gerappelt voll, nicht zuletzt saßen da blauhaarige Amerikanerinnen mittleren Alters mit übergewichtigen Ehemännern. Die Amis waren bis zum Stehkragen beladen mit Fotoapparaten, Stadtplänen, Handbüchern (»Europe on five dollars a day«), leichten Sommermänteln, Regenschirmen, Nerzstolen mit dem Schildchen »Neiman-Marcus, Dallas«, Etikett nach außen; man wird dann im Maxim so gut bedient, und überhaupt: daß sie hundert Prozent drauflegen, spielt gar keine Rolle; there is more of that where is comes from, baby.
    Wir fanden einen Tisch, einen Kellner und zwei Pernod. Der Kellner sprach tatsächlich französisch.
    »Look, honey, don’t drink that water, it ain’t safe.«
    »… aber man ist nicht ganz organisiert hier, doch…«
    »… und da sagte ich zu Hugo, jetzt nehmen sie dich mit, denn du weißt doch, was gebügelt werden soll, darf man nicht in die Schleuder tun, aber er hörte nicht auf mich, o nein, ich bin nur noch Luft für ihn jetzt…«
    »I que quiere usted, tio…?«
    »Grazie, vorrei pagare subito, quanto fa?«
    Harriet blickte verwirrt in die Runde:
    »Sag mal, wo sind wir eigentlich, ich dachte immer, in la belle France?«
    Ein Clochard kommt angesegelt, kreuzt, visiert ausgerechnet auf uns, weil wir ganz außen sitzen, geht mit dem Wind, dreht bei. Ein unglaublich schmutziger Bart, zerlumpte Kleidung, kein Hemd, nackte Füße in kaputten Schuhen. Eine Hand wird ausgestreckt. Sie zittert.
    »Dix francs, monsieur! J’ai vraiment faim! Je sors de l’hôpital, ma femme paralysee, seulemenet dix francs, monsieur…«
    »Doch, wir sind tatsächlich in Frankreich, hier hast du den Beweis«, sagte ich und gab dem Bettler einen Franc, in der stillen Hoffnung, er würde alte Francs meinen, wenn er zehn Francs sagte.
    »Guck mal, welch ein pittoresker Typ«, hörten wir in breitem Texas-Slang jemanden sagen, der hinter uns saß.
    »Pittoresk! Der! Diese Typen sollte man ins Arbeitslager stekken, damit sie nicht anständige Leute anbetteln, die ihrer Arbeit nachgehen, und überhaupt…«
    »Komm, laß uns gehen, mir wird speiübel«, sagte Harriet und stand auf. »Ich könnte diese elenden ›Hoppla-jetzt-komm-ich‹Typen ankotzen.«
    Mit der Grazie einer spanischen Edelfrau drehte sich Harriet um und sandte einen Blick an den Nebentisch, der soviel Herablassung und Verachtung ausdrückte, daß Sarah Bernhardt es nicht hätte besser machen können. Der Blick durchbohrte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher