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Anruf aus Nizza

Anruf aus Nizza

Titel: Anruf aus Nizza
Autoren: Alexander Borell
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sprechen...
    Sie fuhr wie eine Irre zur nächsten Ortschaft, und von dort rief sie Wolfgang Rothe an.
    »Wolf... es ist etwas Entsetzliches passiert... man weiß alles, nein, Irene weiß es und Giulio und Tino haben das ausgeheckt und... nein, ich kann nicht mehr, bitte hol mich ab, nein, nicht abholen, ich komme zu dir, nur für eine Nacht, nur einmal schlafen möchte ich, und dann, nein, das ist... hörst du mich noch? Nein! Um Gottes willen, nein, ich komme nicht zu dir, das wäre nur eine neue... sag doch etwas, Wolfgang, bitte sprich etwas, irgendein Wort, ich muß die Stimme eines Menschen hören...«
    »Ich liebe dich...«
    »Nein, nicht das, Wolfgang... sie wollen mir die Kinder nehmen, und ich soll Ried verlassen, hörst du, ich bin...«
    »Wo bist du jetzt? Ich komme gleich zu dir, warte auf mich!«
    »Ja, komm, nein, komm nicht! Auf gar keinen Fall, hörst du! Ich würde dir um den Hals fallen, ich würde bei dir bleiben, und das hast du nicht verdient... Wolfgang, ich bin erledigt... Wolfgang?«
    »Um Himmels willen, ja?«
    »Wolfgang, warte noch ein bißchen, ich will mit Robert sprechen, er soll mich hinauswerfen, aber er soll auch wissen, wem er die Kinder anvertrauen will. Bist du morgen früh zu Hause?«
    »Ja, natürlich.«
    »Dann rufe ich dich morgen noch mal an.«
    »Willst du nicht lieber...«
    Sie hängte ein.
    Sie wendete draußen den Wagen und fuhr nach Ried zurück.
    Und dann, unterwegs, wußte sie auf einmal, was sie zu tun hatte: sie mußte es verhindern, daß Robert und die Kinder in die Hände dieser Schlange fielen. Sie mußte Irene töten...
    Der Gedanke, nun doch noch einen Weg gefunden zu haben, etwas tun zu können, gab ihr Kraft. Sie fuhr nach Hause und schaltete die Lichter aus, als sie in den Hof einbog.
    Natürlich, dachte sie, das ist die einzige Lösung: ich bringe sie um. Und dann stelle ich mich dem Gericht. Nur Ried und die Kinder und Robert soll sie nicht in ihre Krallen bekommen... wenn ich das tue, dann werden sie mir glauben müssen, daß ich sie geliebt habe.
    Im Treibhaus, verschlossen in einem kleinen Wandschrank, standen die Ampullen aus Aluminium mit dem Pflanzenschutzmittel, das so rasch und so sicher töten konnte.
    Sie steckte eine der kleinen, harmlos aussehenden Ampullen in ihre Handtasche, verließ lautlos das Treibhaus und traf vor dem Haus mit Therese zusammen.
    »O Gott«, stammelte sie, »jetzt haben Sie mich aber erschreckt.«
    Es war nicht hell hier draußen, und doch war es Monika, als müßte Therese ihr alles ansehen.
    »Wo waren S’ denn noch so spät?« fragte Therese. »Is denn was, gnä’ Frau?«
    »Nichts, was sollte sein?«
    Behutsam, wie man es ihr nie zugetraut hätte, nahm Therese Monika am Arm.
    »Wollen S’ mir net sagen, was Sie so druckt? Ich spür’s doch und ich weiß es auch. Haben S’ net ein bisserl Vertrauen zu mir altem Leut?«
    Monika mußte alle Energie zusammennehmen, um ruhig zu bleiben.
    »Es ist alles in Ordnung, Theres, glauben Sie mir. Aber — es war lieb von Ihnen, ich werde es Ihnen nie vergessen Gute Nacht, ich bin jetzt sehr müde.«
    Morgen, dachte sie, während sie die Treppe leise hinaufstieg, morgen wird sie das Gift schlucken, und ich werde dabeibleiben, bis es aus ist, und dann erst werde ich zur Polizei fahren.
    Und wenn ich im Gefängnis bin, in einer kleinen Zelle mit vergittertem Fenster, dann werde ich wieder schlafen können...

    *

    Goldgelb floß der Honig vom Löffel auf das Butterbrot. Robert schaute Oberschwester Mathilde lächelnd an.
    »Ich bin jetzt bald fünfzig, Mathilde, aber ich weiß immer noch nicht, wie man es macht, ohne klebrige Finger zu bekommen. Haben wir sonst noch was?«
    Die Oberschwester hielt die Karteiblätter in der Hand.
    »Nichts mehr, Herr Doktor. Oder doch, Frau Korbach möchte unbedingt schon heute nach Hause,«
    »Auf ihre eigene Verantwortung, sie soll...«
    Er brach ab. Vor der Tür gab es einen kurzen, heftigen Wortwechsel, dann flog die Tür auf, ein Mann stürmte herein, die junge Schwester von der Pforte hinterher.
    »Unerhört!« rief sie. »Herr Doktor, ich versichere Ihnen, dieser Herr ist...«
    Robert legte das halbe Brötchen vorsichtig auf den Teller und schaute den Mann an, der vor seinem Schreibtisch stand.
    »So stürmisch?« fragte Robert. »Ist Ihre Frau...«
    Wolfgang Rothe unterbrach ihn.
    »Es handelt sich nicht um meine Frau. Ich muß Sie unbedingt sofort sprechen, Herr Doktor.«
    »Bitte«, sagte Robert und deutete auf den Stuhl vor seinem
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