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Anonym - Briefe der Lust

Anonym - Briefe der Lust

Titel: Anonym - Briefe der Lust
Autoren: Megan Hart
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Geschenkausbeute größer zu machen. Vor allem nicht, wenn ich das Brautpaar kaum kannte und nur vor undenklichen Zeiten mit einem der beiden in einem Mathekurs gesessen hatte.
    „Was ist das?“ Kira trat in einer Wolke aus Zigarettendunst hinter mich und bohrte ihr Kinn in meine Schulter.
    Ich weiß nicht, warum ich ihr die Nachricht nicht zeigen wollte. Ich schob die Karte zurück in den Umschlag, suchte nach dem richtigen Briefkasten und steckte sie durch den Schlitz. Durch das Glasfenster konnte ich sehen, wie sie in dem Metallkasten ruhte, schmal, einsam und allein.
    „Nichts“, antwortete ich auf Kiras Frage. „Es war nicht für mich.“
    „Dann komm. Lass uns nach oben gehen. Ich plane einen flotten Dreier mit Jose, Jack und Jim.“ Sie hob eine Papiertüte hoch, in der die Flaschen klirrten.
    Jede Frau sollte eine schlampige Freundin haben, sodass sie sich besser fühlt. Denn egal, wie sehr sie sich am vergangenen Abend betrunken und mit wie vielen Kerlen sie auf der Party herumgemacht hat oder wie kurz ihr Rock ist, diese schlampige Freundin wird immer noch … nun … schlampiger gewesen sein.
    Kira und ich hatten uns in dieser Rolle während der vergangenen Jahre immer wieder abgewechselt. Darauf war ich nicht stolz, konnte es aber dennoch nicht bestreiten. „Es ist noch nicht mal acht. Vor elf ist sowieso nichts los.“
    „Genau deshalb bin ich noch schnell im Spirituosenladen gewesen.“ Sie schaute sich in der Eingangshalle um und zog die Brauen hoch. „Wow! Hübsch!“
    Auch ich sah mich begeistert um. Das tat ich immer noch, obwohl ich jede Bodenfliese kannte. „Danke. Komm mit, wir entern den Aufzug.“
    Eigentlich hätte sie ebenso beeindruckt von meinem Apartment sein müssen, aber sie sagte nichts. Sie rauschte durch die Zimmer, öffnete Schranktüren und schaute in mein Medizinschränkchen, und als es Zeit wurde, die Sandwiches zu essen, die wir zum Dinner gekauft hatten, machte sie ein großes Getue darum, meinen zerschrammten Küchentisch mit richtigen Tellern anstelle von Papierservietten als Unterlagen zu decken. Aber sie sagte mir nicht, dass meine Wohnung hübsch war.
    Es war fast wie in alten Zeiten, als wir kichernd unser Essen verschlangen und dabei Realityshows sahen. Ich hatte nicht vergessen, was für einen bizarren, äußerst komischen Humor Kira besaß, aber es war lange her, seit ich so furchtbar gelacht hatte, dass mein Magen sich zu verknoten schien. Plötzlich war ich froh, dass ich sie zu mir eingeladen hatte. Es ist schön, mit jemandem zusammen zu sein, der jeden deiner Fehler kennt und dich trotzdem mag … oder dich zumindest deswegen nicht weniger mag.
    Sie hatte einen neuen Freund. Tony Irgendwer. Der Name sagte mir nichts. Kira hatte ihn in ihren SMS oder ihren gelegentlichen E-Mails nie erwähnt. Doch an der Art, wie sie ganz nebenbei von ihm sprach, erkannte ich, dass sie nach ihm gefragt werden wollte.
    „Wie lange bist du schon mit ihm zusammen?“ Ich goss mir einen Schluck Tequila ein und betrachtete die gelbe Flüssigkeit in meinem Glas, weil ich mir nicht sicher war, ob ich sie überhaupt trinken wollte. Früher einmal war ich fähig gewesen, das Zeug ohne Angst vor den Folgen hinunterzuschütten. Doch in letzter Zeit hatte ich nur wenig Alkohol getrunken. Schließlich schob ich Kira das Glas hin.
    Routiniert stürzte sie den Drink hinunter. „Wir haben uns kennengelernt, kurz nachdem du weggezogen warst. Also schon ziemlich lange.“
    Es kam mir nicht vor, als sei das schon sehr lange, aber alles, was länger als drei Monate hielt, war für sie ein echter Rekord. „Wie schön für dich.“
    Sie kräuselte die Nase. „Na ja. Er ist gut im Bett und macht mir jede Menge Geschenke. Und er hat ein richtig tolles Auto. Einen Job. Er ist kein Loser.“
    „Das klingt gut.“ Ich war ein kleines bisschen anspruchsvoller, was meine Vorstellung von einem idealen Partner betraf, jedenfalls neuerdings. Doch ich lächelte, als sie ihn beschrieb, und faltete dabei das Papier zusammen, in das unsere Sandwiches eingepackt gewesen waren.
    Kira stand auf, um mir zu helfen. „Stimmt. Er ist ein netter Mann.“
    Was mehr sagte als alles, was sie mir vorher erzählt hatte. Ich warf ihr einen kurzen Blick zu. Die Zeiten ändern sich, machte ich mir klar. Und mit ihnen die Menschen.
    Als es Zeit zum Ausgehen war, trat dann aber doch die altbekannte Kira wieder in Erscheinung. „Himmel, darin kannst du nicht ernsthaft losziehen wollen!“
    Ich schaute hinunter auf meine
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