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Annika Bengtzon 09: Weißer Tod

Annika Bengtzon 09: Weißer Tod

Titel: Annika Bengtzon 09: Weißer Tod
Autoren: Liza Marklund
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Spül­maschine einzuräumen.
    Sie fand Trost in den mechanischen Bewegungen, Wasserhahn aufdrehen, Spülbürste nehmen, mit kreisenden Bewegungen Essensreste abspülen, Bürste ins Abtropfgestell legen, Teller an seinen Platz in der Maschine stellen.
    Ohne Vorwarnung brach sie in Tränen aus, ließ Bürste und Glas und Besteck los und sank auf dem Küchenboden zusammen, während das warme Wasser lief.
    Sie blieb lange dort sitzen.
    Was war sie für ein erbärmlicher Mensch. Ihr Mann war verschwunden, und es gab niemanden, den sie anrufen oder mit dem sie sprechen konnte. Etwas stimmte nicht mit ihr.
    Sie drehte das Wasser ab, schnäuzte sich in ein Stück Küchenrolle und ging mit dem Telefon in der Hand ins Wohnzimmer.
    Keine versäumten Anrufe oder Mitteilungen.
    Annika ließ sich auf dem Sofa nieder und schluckte.
    Warum war es ihr nie gelungen, sich so einen netten Freundes­kreis aufzubauen wie Thomas? Alte Fußballfreunde und Kumpels vom Gymnasium, ein paar Typen von der Uni aus Uppsala, eine Clique von Arbeitskollegen und vielleicht noch die Mannschaftskameraden aus dem Hockeyverein. Und wen hatte sie? Außer vielleicht Anne Snapphane?
    Während ihres ersten Sommers beim Abendblatt hatten sie zusammen gearbeitet, aber dann suchte Anne beim Fernsehen Erfolg. Ihre Freundschaft durchlief mit den Jahren diverse Hochs und Tiefs. Solange Annika als Korrespondentin in den USA war, hatten sie nicht viel Kontakt, aber in den letzten Mona­ten trafen sie sich immer wieder zu einer Tasse Kaffee am Samstagnachmittag oder einem Sonntagsausflug ins Museum.
    Annika fand es beruhigend und anspruchslos, von Annes drol­ligen Eskapaden und hochfliegenden Plänen zu hören. Anne war immer kurz vor dem Durchbruch . Sie war für Großes ausersehen, und das bedeutete, sie würde berühmt werden und eine bekannte Fernsehmoderatorin. Sie dachte sich jede Woche ein neues Fernsehformat aus, Quizsendungen und Spielshows und unterhaltende Interviewformate, sie sammelte unablässig neue Ideen für Dokumentationen, bestellte bergeweise Forschungsberichte, um Missstände zu finden, die sie in einer investigativen Sendung aufklären konnte. Oft endeten die phantastischen Ideen als Blogbeitrag oder beklatschte Statusmeldung auf Facebook. (Anne hatte ein beliebtes Blog, das sie »Die wunderbaren Abenteuer und Erlebnisse einer Fernseh-Mama« nannte, und 4357 Freunde auf Facebook.) Soweit Annika wusste, hatte Anne nie mehr als eine halbe Seite für ihre großartigen TV -Pitches geschrieben, und zu irgendwelchen Treffen mit irgendwelchen Fernseh-Chefs war es nicht gekommen. Aber das schien keine nennenswerte Rolle zu spielen. Ihr Geld verdiente Anne als Re­cher­cheurin bei einer Produktionsfirma, die Dokusoaps produzierte.
    »Annika! Wie lustig, dass du anrufst. Ich habe gerade an dich gedacht.«
    Annika schloss die Augen und spürte, wie Wärme und Tränen in ihr aufstiegen. Es gab doch noch jemanden, der sich Gedanken um sie machte.
    »Brauchst du deine braunen Technica-Stiefel am Wochenende?«
    »Thomas ist weg«, stieß Annika hervor und brach in hem­mungs­loses Weinen aus. Die Tränen liefen wie ein Bach in ihr Handy, sie versuchte es abzutrocknen, damit es keinen Wasserschaden bekam.
    »Dieser Mistbock«, sagte Anne. »Dass er nie die Hose anlassen kann. Auf welcher Tussi liegt er jetzt?«
    Annika blinzelte, die Tränen versiegten.
    »Nein«, sagte sie. »Nein, nein, so ist es nicht …«
    »Annika«, sagte Anne Snapphane, »du musst ihn nicht in Schutz nehmen. Zieh dir den Schuh nicht an. Das ist doch alles nicht deine Schuld.«
    Annika holte tief Luft und spürte, wie ihre Stimme wiederkam.
    »Du darfst niemandem etwas davon sagen, alles unterliegt bis auf Weiteres der Geheimhaltung. Seine Delegation ist verschwun­den. An der Grenze nach Somalia.«
    Sie hatte vergessen, wie der Ort hieß.
    Verwunderte Stille am anderen Ende der Leitung.
    »Eine ganze Delegation? Wie um alles in der Welt waren die denn unterwegs? In einem Jumbo-Jet?«
    Annika schnäuzte sich noch einmal ins Küchenpapier.
    »Sie waren zu siebt in zwei Autos unterwegs. Seit gestern sind sie verschwunden. Ihr Sicherheitsbegleiter und ihr Dolmetscher wurden gefunden. Kopfschuss.«
    »Ach du lieber Himmel, Annika. Haben sie Thomas auch erschossen?«
    Die Tränen liefen wieder, ein dünnes Wimmern drang aus dem Bauch.
    »Ich weiß es nicht!«
    »Aber Grundgütiger, was machst du denn, wenn er stirbt? Und wie sollen die Kinder damit zurechtkommen?«
    Sie wiegte sich auf
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