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Anni und Alois - Arm sind wir nicht: Ein Bauernleben (German Edition)

Anni und Alois - Arm sind wir nicht: Ein Bauernleben (German Edition)

Titel: Anni und Alois - Arm sind wir nicht: Ein Bauernleben (German Edition)
Autoren: Julia Seidl , Stefan Rosenboom
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glockenförmige, birnen- oder kugelförmige – die Anni kennt alle Apfelsorten beim Namen und gern nimmt sie aus den Kisten einen Apfel nach dem anderen in die Hand und zeigt ihr Wissen über die Haltbarkeit und den Geschmack der einzelnen Äpfel.
    »Das ist der ›Eisapfel‹, der braucht lange, bis man ihn essen kann«, hält sie einen kleinen grünen Apfel in die Höhe. Besonders appetitlich wirkt die grüne Kugel nicht, aber dieser dicke rotbackige Apfel dort? »Ja, das ist mein Lieblingsapfel«, strahlt die Anni. »Das ist der ›Topaz‹, der ist einmalig gut und kann man auch gut lagern.« Und da, ein Apfel, so eine Form und eine gleichmäßig grüne Farbe, wie man ihn aus dem Supermarkt kennt? »Das ist ein ›Golden Delicious‹, das ist die einzige Apfelsorte, die bei mir schorfig wird. Dem passt das kalte Klima bei uns nicht. Andere spritzen den zehn- bis fünfzehnmal im Jahr, aber für mich ist der nächstes Jahr gestorben«, empört sich die Anni. Und verächtlich legt sie den Apfel wieder zurück in seine Kiste.
    Annis Apfelturm bietet Kennern eine Symphonie aus verschiedenen Geschmacksnoten. »Ein jeder Apfel schmeckt anders«, das fasziniert die leidenschaftliche Apfelzüchterin. Obwohl sie mit ihrer mageren Rente im landläufigen Sinne sicher als »arm« zu bezeichnen wäre, legt sie Wert auf gutes Essen. »Im Supermarkt würde ich mir nie einen Apfel kaufen«, fängt die Anni zu schimpfen an. »Die Äpfel dort, die stinken ja bis ins Kernhaus rein vor lauter Spritzmittel. Die kann man abschälen wie man will, dann stinken sie noch«, beendet sie ihren kleinen Wutausbruch und sucht sich für den Nachmittag noch zwei Äpfel raus. Schnell lässt sie diese in ihre Schürzentasche verschwinden und schlappt mit ihren alten Filzpantoffeln weiter zur nächsten Vorratskammer, ein wildes Zimmerchen im oberen Stock, das früher ihre Schwiegereltern bewohnt haben. Eigentlich zeigt es die Anni nicht gern her, aber weil wir uns schon so gut kennen, öffnet sie mir doch die Tür. Auf etwa acht Quadratmetern stauen sich hier ein alter Herd, gusseiserne Schöpflöffel, diverse Pakete Kohleanzünder und große Kartons voller Glühbirnen.
    In einem alten hölzernen Küchenbüfett, das auch noch von Alois’ Eltern stammt, hat sie Geschirr und Gläser verstaut – ehemals alles Geschenke von Schwes tern, Nachbarn und Bekannten. »Schau her, die sind noch genauso eingewickelt, wie ich sie bekommen habe«, sagt sie und zieht aus einer Plastiktüte am Boden Gläser, die mit einem grauen Papier umwickelt sind. »Das sind Römergläser für den Wein, aber wir trinken über haupt keinen Wein«, lacht sie und packt die immer noch eingewickelten Gläser wieder zurück. Ob sie jemals benützt werden? – Wahrscheinlich nicht. Und für was sie so etwas aufhebt, weiß die Anni manchmal selbst nicht so recht.
    150 Kilo Weißkraut, Chinakohl, Zuckerhut und 80 Kilo Zwiebeln lagert die Anni auch in dem kleinen Raum, der bis oben hin voll ist, meist bis in das Frühjahr hinein. Dank Vorratshaltung und Gefriertruhen muss die Anni im Winter höchstens alle vier Wochen zum Einkaufen nach Innernzell fahren. Und wenn es das alte Ehepaar gehörig einschneit, dann kommen sie trotz dem durch und müssen bei dem ganzen Vorrat nicht verhungern.
    In der Ecke der kleinen Kammer stehen auch noch drei große Töpfe aus brauner Keramik – beschwert mit einem riesigen Granitstein. Darin pökelt die Anni ihr Schweinefleisch selbst, ein Brauch, der weitverbreitet ist im Bayerischen Wald. Das eigene »G’selchte«, ein mit Salz, Zwiebeln und Wacholderbeeren eingelegtes Fleisch, wird drei Wochen lang »gesurt«. Danach hängen es die beiden Selbstversorger auf dem Dachboden direkt in den Schornstein hinein – ihre hauseigene Räucherkammer. So entsteht eine kleine fetthaltige Delikatesse, nach der man gut einen Schnaps vertragen kann.
    »Ich geh’ immer rückwärts die Treppe runter – wegen meinem Kreuz«, schnauft die Anni, während sie die hölzerne Stiege wieder runtersteigt. Ihre Schürze ist ein wenig ausgebeult von den Äpfeln, die sie eingesteckt hat. In der Stube ist es inzwischen dämmrig geworden, nur die Rauchschwaden von Alois’ Zigaretten zeichnen ein Muster in der Luft. Energisch holt sich die Anni aus dem Küchenbüfett eine einfache Reibe. Wortlos nimmt sie Platz am Tisch, zieht die Äpfel aus ihrer Schürze und fängt an, Apfel für Apfel zu reiben. Neugierig reckt Alois den Hals, um zu sehen, was die Anni auf dem Küchentisch
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