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Anni und Alois - Arm sind wir nicht: Ein Bauernleben (German Edition)

Anni und Alois - Arm sind wir nicht: Ein Bauernleben (German Edition)

Titel: Anni und Alois - Arm sind wir nicht: Ein Bauernleben (German Edition)
Autoren: Julia Seidl , Stefan Rosenboom
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macht.
    »Ist das ein süßer Apfel?«, fragt er, um ein Gespräch zu beginnen.
    »Ja, der ist süß, das ist der ›Resi‹, ein Kinderapfel«, erwidert die Anni beiläufig. Und etwas lauernd fragt sie harmlos nach: »Magst du auch einen?«
    Aber der Alois schüttelt sofort den Kopf, weil Äpfel, das ist nicht seine Sache.
    »Wenn ich einen Apfel esse, dann sagt sie zu mir ›Schmeckt dir auch mal wieder ein Apfel?‹«, erklärt er mir vom Sofa aus. Bei dem Satz grinst die Anni leicht in sich hinein und fängt mit einem kleinen Löffel an, die geraspelten Äpfel zu essen. Zwischendurch muss sie immer wieder hüsteln, als ob sie sich gleich verschlucken würde. »So viel Äpfel essen macht sicher dünner«, lästert der Alois ohne Erbarmen. Und erntet dabei einen Anni-Blick der besonderen Sorte und den Satz: »Wegen den Äpfeln wird man auch nicht dünner. Weil wenn das so wäre, dann wäre ich längst viel dünner.«
    Um Annis Empörung wieder etwas zu mildern, lenkt der Alois wieder ein und stellt fest: »Ja, aber die Kartoffeln, da wirst du dick davon.« Und erleichtert fällt die Anni ein: »Freilich wird man da dick davon. Da sagen sie im Fernsehen immer, Kartoffeln machen schlank. Ja, den möchte ich sehen, der davon schlank wird. Früher hat man die Säu’ mit Kartoffeln gefüttert und die sind kugelrund davon geworden.«
    Schnell hat die Anni nebenbei ihre Äpfel fertig gegessen: »So, jetzt ist es gar«, sagt sie und schiebt den leeren Teller zur Seite. Von hinten ertönt wieder das tonlose Pfeifen vom Alois. »Ja, fertig. Amen.«, sagt er und zündet sich die nächste Zigarette an.

Der Advent kommt
    W enn die Anni aus dem Bett aufsteht, ihre Haare offen, mit nackten Füßen in den alten Filzpantoffeln, die hölzerne Stiege vorsichtig runtersteigt, dann die Stu bentür, die knarzige, öffnet und den Ofen anheizt – dann ist es meist erst 5 Uhr morgens und jetzt, Ende November, bitterkalt. An einem Wintermorgen wie diesem steht die Anni immer alleine auf, ihr Mann Alois bleibt lieber im warmen Bett unter dicken Decken, gefüllt mit Gänsefedern, liegen. Anni legt dagegen nun Scheit für Scheit in den Ofen. Zum ersten Mal an diesem Tag erwacht das alte Stück, knistert und faucht, bis die Anni die blecherne Ofentür scheppernd schließt. Dass der Ofen jeden Tag wieder zum Leben erweckt wird, hat er nur dem Alois zu verdanken, denn wenn es ihn und seine Verfrorenheit nicht gäbe, dann würde die Anni nie einheizen. Als der Alois einmal im Winter für eine Woche ins Krankenhaus musste, hat sie den Ofen nur zum Kochen angeheizt und war glücklich in ihrem Klein-Sibirien, in ihrer kalten Datscha mitten im Bayerischen Wald.
    Noch immer im dünnen Sommernachthemd, geht die Anni raus vor das Haus, ins Dunkel. Ein kurzer Blick auf das Dorf mit seinen wenigen erleuchteten Fenstern bestätigt ihr, wieder einmal einer der Ersten zu sein, die im Winter aufgestanden sind. Von Ferne hört man den ersten Hahn krähen – eher kläglich und heiser als entschlossen und freudig, die Menschen aufzuwecken.
    Mit schnellen Bewegungen und ohne Waschlappen wäscht die Anni sich in dem kleinen Granitbecken, wo sich das frische Quellwasser sammelt. Umsonst und eisig kalt ist das Wasser, deshalb mag es die Anni so gern. In ihrem müden Gesicht haben sich schnell erste Schneeflocken niedergelassen, frech bläst ihr eine leichte Windböe in die ungekämmten Haare. Mit geschlossenen Augen putzt sie ihre drei spärlichen Zähne, nicht allzu lange, aber dafür mit Tempo. Ausgespuckt wird auf das Pflaster vor dem Haus, einmal, zweimal, dreimal – fertig ist die Morgenwäsche. Keine Creme, keine Schminke, nichts benützt die Anni. Ein Parfüm, das »g’schmeckerte Wasser«, wie sie gern abfällig sagt, ist nur etwas für verweichlichte und verzogene Menschen.
    Ohne nur einmal Gänsehaut zu bekommen, beendet die Anni ihr morgendliches Waschritual. In der Stube kämmt sie sich, zieht sie sich an, geht in den Hausgang, macht das Futter für ihre Hühner – mit bloßen Händen zerdrückt sie gekochte Kartoffeln. Vermischt mit geschrotetem Getreide, klein geschnittenen Äpfeln und vielen Kräutern aus ihrer Gefriertruhe wird dieses Frühstück von ihrem Federvieh schon sehnlichst erwartet. »Ich bin gerne im Stall«, sagt die Anni, während sie die Türe öffnet. »Ich brauch’ die Tiere, auch wenn es manchmal Arbeit macht, aber ich mag mit den Hennen und den Enten schmusen.«
    Ein lautes Gegacker, Auffliegen, ein kleiner Tumult – die
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