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Anne in Windy Willows

Titel: Anne in Windy Willows
Autoren: Lucy Maud Montgomery
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auszudenken, was für eine Jugend ihr in diesem düsteren alten Haus blühen würde! Neulich sagte sie wehmütig: »Ich fragte mich, wie das wohl ist, wenn man eine Großmutter hat, vor der man keine Angst zu haben braucht?«
    Und das ist es, was ich verbrochen habe: Ich schrieb einen Brief an ihren Vater. Seine Anschrift wusste ich allerdings nicht, nur, dass er in Paris lebt. Rebecca Dew erinnerte sich an den Namen der Firma, wo er arbeitet. Also adressierte ich den Brief dorthin und hoffte, dass er ankommt. Ich formulierte ihn so diplomatisch wie möglich, aber ich schrieb ihm ohne Umschweife, dass er Elizabeth zu sich nehmen soll. Ich erzählte ihm auch, wie sehr sie sich nach ihm sehnt und dass sie immer von ihm träumt. Und dass Mrs Campbell einfach zu ernst und streng mit ihr umgeht. Vielleicht kommt ja nichts dabei heraus, aber wenn ich den Brief nicht geschrieben hätte, hätte ich mir ewig Vorwürfe gemacht.
    Jetzt muss ich dir noch von Dusty Miller berichten. Vor einiger Zeit hatte Tante Kate zu mir gesagt, sie müsse wohl ein neues Zuhause für ihn ausfindig machen, weil Rebecca sich ständig über ihn beklagt und sie das nicht länger mit anhören könne. Eines Nachmittags, als ich von der Schule kam, war Dusty Miller nicht mehr da! Tante Chatty sagte, sie hätten ihn zu Mrs Edmonds gegeben, die am entgegengesetzten Ende der Stadt lebt. Ich war sehr traurig, dass er fort war, weil wir uns wunderbar vertragen hatten. Na, Hauptsache, Rebecca ist jetzt glücklich, sagte ich mir.
    Rebecca war an diesem Tag nicht zu Hause gewesen. Als sie am Abend zurückkam, ließ niemand ein Wort über Dusty Miller fallen. Erst, als sie ihn zur üblichen Zeit hereinrufen wollte, sagte Tante Kate schnell: »Du brauchst Dusty Miller nicht zu rufen, Rebecca. Er ist nicht mehr da. Wir haben ihn weggegeben, damit er dich nicht länger belästigt.« Die Wirkung war enorm.
    Rebecca erblasste - soweit das überhaupt möglich ist.
    »Was heißt das, weggegeben?«, rief sie dann böse. »Das darf nicht wahr sein, ist denn nicht das hier sein Zuhause?« Sie sah von einem zum anderen.
    »Wir haben ihn zu Mrs Edmonds gegeben. Sie ist sehr einsam, seit ihre Tochter geheiratet hat, und wir dachten, er könnte ihr etwas Gesellschaft leisten.«
    Jetzt packte Rebecca der Zorn. »Das reicht nun aber«, rief sie. Ich hatte sie tatsächlich noch nie so wütend erlebt. »Ende des Monats gehe ich, Mrs MacComber, allerspätestens Ende des Monats!«
    »Aber, Rebecca«, sagte Tante Kate verwirrt, »ich verstehe dich nicht. Du hast Dusty Miller doch nie gemocht. Erst letzte Woche sagtest du -«
    »So ist’s recht«, rief Rebecca verbittert. »Immer raus damit! Nur keine Rücksicht nehmen auf meine Gefühle! Der arme, lieber Kater! Ich habe ihn versorgt, ihn verwöhnt, bin nachts aufgestanden, um ihn hereinzulassen. Und jetzt wird er einfach hinter meinem Rücken fortgeschafft, und noch dazu zu Jane Edmonds, bei der er garantiert auf seine heiß geliebte Leber verzichten muss! Immer hat er mir in der Küche Gesellschaft geleistet!« Sie schnaubte empört.
    »Aber Rebecca, du hast doch immer -«
    »Ja, weiter so, weiter so! Lassen Sie mich ja nicht zu Worte kommen, Mrs MacComber«, ließ Rebecca sich nicht bremsen. »Von klein auf habe ich für ihn gesorgt, ich habe darauf geachtet, dass er immer gesund war und sich ordentlich benahm. Und wozu das Ganze? Damit Jane Edmonds einen wohlerzogenen Kater hat, der ihr Gesellschaft leistet. Ich hoffe bloß, dass sie ihn abends nicht draußen in der Kälte lässt, sondern es macht wie ich: frierend vor der Tür stehen und nach ihm rufen, stundenlang ! Aber ich habe meine Zweifel, ob sie das tut. Wenn es das nächste Mal zehn Grad unter Null hat, während er draußen ist, kann ich Ihnen nur >gute Nacht< wünschen, Mrs MacComber. Ich werde jedenfalls kein Auge zu tun, aber wen kümmert das in diesem Haus schon.«
    »Rebecca, wenn du doch bloß -«
    Es war nichts zu machen.
    »Das war mir jedenfalls eine Lehre!«, schimpfte Rebecca weiter. »Es war das letzte Mal, dass ich einem Tier meine ganze Zuneigung geschenkt habe. Wenn Sie wenigstens mit offenen Karten gespielt hätten ... Aber hinter meinem Rücken -meine Abwesenheit schamlos ausnutzen! Eine bodenlose Gemeinheit nenne ich das. Aber wer bin ich schon, dass irgendjemand auch mal an meine Gefühle denkt!«
    »Rebecca«, sagte Tante Kate verzweifelt, »wenn du Dusty Miller wieder haben willst, können wir ihn holen.«
    »Wieso sagen Sie das nicht gleich?«,
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