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Anne in Avonlea

Anne in Avonlea

Titel: Anne in Avonlea
Autoren: Lucy Maud Montgomery
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Clarice Almira hat mir auch berichtet, dass Sie meinen Sohn Jacob nennen.«
    »Er hat es mir selbst so gesagt«, protestierte Anne.
    »Das habe ich mir gedacht«, sagte Mrs H. B. Donnell in einem Ton, in dem mitschwang, dass man von Kindern in diesem schlimmen Alter keine Dankbarkeit zu erwarten hatte. »Der Junge hat einen so vulgären Geschmack, Miss Shirley. Eigentlich wollte ich ihn St. Clair nennen - es klingt so aristokratisch, nicht wahr? Aber sein Vater bestand darauf, er soll nach seinem Onkel Jacob heißen. Ich willigte ein, weil Onkel Jacob ein reicher, eingefleischter Junggesselle war. Und was glauben Sie, Miss Shirley? Als unser unschuldiger Junge fünfjahre alt war, ging doch Onkel Jacob tatsächlich hin und heiratete und jetzt hat er selbst drei jungen. Haben Sie je eine solche Undankbarkeit erlebt? Als uns die Einladung zur Hochzeit - er besaß tatsächlich die Unverfrorenheit, uns eine Einladung zu schicken, Miss Shirley - ins Haus schneite, sagte ich: >Schluss mit Jacob, danke bestens!< Von dem Tag an nannte ich meinen Sohn St. Clair und so soll er auch weiterhin genannt werden. Sein Vater nennt ihn hartnäckig weiter Jacob und der Junge selbst hat eine völlig unerklärliche Vorliebe für den gewöhnlichen Namen. Aber sein Name ist St. Clair und dabei soll es auch bleiben. Sie sind doch so nett und denken daran, Miss Shirley, ja? Vielen Dank. Ich habe zu Clarice Almira gesagt, es wäre bestimmt nur ein Missverständnis, das man schnell klären könne. Donnell - mit der Betonung auf der letzten Silbe und St. Clair - auf gar keinen Fall Jacob. Sie denken doch daran? Vielen Dank.«
    Als Mrs H. B. Donnell davongerauscht war, schloss Anne die Schultür ab und ging nach Hause. Am Fuße des Hügels beim Birkenpfad traf sie Paul Irving. Er hielt ihr einen Strauß schöner wilder Orchideen entgegen, die die Kinder von Avonlea »Reislilien« nannten.
    »Für Sie, Miss Shirley, ich habe sie auf Mr Wrights Feld gepflückt«, sagte er verlegen. »Ich bin noch mal hergekommen und wollte sie Ihnen geben, weil ich dachte, sie würden Ihnen gefallen, und weil...«, er sah mit seinen großen schönen Augen zu ihr hoch, ». . . ich Sie mag.«
    »Lieb von dir«, sagte Anne und nahm die duftenden Blumen. So als wären Pauls Worte ein Zauberspruch gewesen, schwanden ihre Entmutigung und Erschöpfung dahin und einer sprudelnden Quelle gleich stieg Hoffnung in ihr auf. Leichtfüßig ging sie den Birkenpfad entlang, begleitet vom süßen Duft der Orchideen.
    »Nun, wie ist es dir ergangen?«, wollte Marilla wissen.
    »Frage mich das in einem Monat, vielleicht kann ich es dir dann beantworten. Ich kann jetzt... ich weiß es selbst nicht... ich stecke zu sehr darin. Ich war ganz aufgewühlt, alle meine Gedanken waren verschwommen und konfus. Das Einzige, was ich mit Bestimmtheit weiß, ist, dass ich Cliffie Wright beigebracht habe, was ein A ist. Er wusste es nicht. Ist das etwa nichts, eine Menschenseele auf einen Weg geschickt zu haben, der vielleicht zu Shakespeare und dem Verlorenen Paradies< führt?«
    Später kam Mrs Lynde vorbei und trug ein Übriges zu Annes Ermutigung bei. Sie hatte die Schulkinder an ihrem Tor abgefangen und sie gefragt, wie sie ihre neue Lehrerin fänden.
    »Alle fanden dich prima, Anne, außer Anthony Pye. Er war da ganz anderer Ansicht. Er sagte, du taugst nichts, genau wie alle Lehrerinnen. So sind die Pyes nun mal. Aber mach dir nichts draus.«
    »Ich mache mir auch nichts daraus«, sagte Anne ruhig. »Ich werde Anthony Pye schon noch auf meine Seite bringen. Mit Geduld und Freundlichkeit werde ich es schon schaffen.«
    »Na ja, bei einem Pye kann man da nie so sicher sein«, sagte Mrs Rachel vorsichtig. »Bei ihnen ist es wie mit Wünschen - sie werden oft nicht wahr. Und was diese Donn eil angeht, ich werde sie nicht Don nell nennen, das kann ich dir aber sagen. Der Name heißt Donnell und hat immer so geheißen. Die Frau ist verrückt, jawohl. Sie hat einen Mops namens Queenie und der sitzt beim Essen mit am Tisch und isst von einem Teller. Ich an ihrer Stelle würde mich das nicht getrauen. Thomas sagst, Mr Donnell wäre ein vernünftiger und hart arbeitender Mann, aber als er sich eine Frau gesucht hat, hat er nicht gerade gesunden Menschenverstand bewiesen, jawohl!«
06 - Menschen aller Art
    Ein Tag im September auf den Hügeln der Prince Edward Island: Vom Meer her weht ein frischer Wind über die Sanddünen; die lange rote Straße schlängelt sich durch Felder und Wälder, führt bald
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