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Anne Frasier

Anne Frasier

Titel: Anne Frasier
Autoren: Marinchen
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dass Ethan nicht, wie vereinbart, angerufen hatte. Sie waren gestern Abend wieder aneinander geraten, und nach einem Streit war Ethan niemals kooperativ.
    Statt zum Grand Central und in sein Büro zu fahren, wie er es eigentlich vorgehabt hatte, steuerte Max nun nach Hause.
    Ethan war auf Bewährung, nachdem er mit Bier erwischt worden war. Das letzte Jahr war nicht einfach gewesen, und Max fürchtete, das wäre bloß der Anfang.
    Max hatte gehofft, Ethans Sommerjob würde die Antwort auf ihre Probleme darstellen. Zwanzig Stunden Arbeit die Woche, dazu Hockeytraining und die Turniere der Sommerliga sollten einen Jungen doch vor den größten Problemen bewahren.
    Aber in letzter Zeit schien Ethan befähigt zu sein, Probleme an den einfachsten Orten zu finden.
    Max' Eltern in Florida hatten angeboten, Ethan den Sommer über zu nehmen, genauso wie sein Bruder in Virginia, aber Max fürchtete, drei Monate woanders würden alles nur noch schlimmer machen. Sie mussten mehr Zeit miteinander verbringen, nicht weniger.
    Als kleiner Junge hatte Ethan die Vorstellung toll gefunden, dass sein Vater Polizist war. An Halloween wollte er immer eine blaue Uniform und eine Marke tragen. Und selbst wenn nicht Halloween war, lief er in seinem kleinen Polizistenoutfit durch das Haus, gab Sirenengeräusche von sich,
    stoppte Fantasiegestalten und schrieb ihnen mit gewichtiger Miene teure Strafzettel.
    Aber mittlerweile war alles anders, und plötzlich war ein Cop das Uncoolste, was man überhaupt sein konnte. Für Ethan schien der Job alles zu repräsentieren, was er an Max hasste und ablehnte. Max sagte sich, dass es bloß Ethans Alter war, dass es ihnen in ein paar Jahren wieder besser gehen würde, dass ihre Beziehung sich normalisieren würde. Aber was, wenn nicht?
    Wenn man jung ist, glaubt man immer, dass sich alles ändern wird, dass alles besser werden wird. Aber wenn man vierzig ist, weiß man ziemlich genau, dass das nicht stimmt.
    Als Ethan kaum mehr als ein Baby gewesen war, hatten sie mitten in Chicago gelebt, aber Max hatte geglaubt, das wäre kein guter Ort, um ein Kind groß werden zu lassen, deswegen waren sie in einen Vorort gezogen, in eine Neubausiedlung nordwestlich der Stadt, die über Nacht auf irgendjemandes Maisfeld errichtet worden war. Max' Arbeitsweg war jetzt viel länger aber er fand, das war es wert.
    Bloß hatte der Neubau-Vorort irgendetwas Unvollständiges an sich, als stimmte etwas nicht ganz, wäre nicht ganz wirklich, wie eine Filmkulisse. Wenn Menschen ihre Sprösslinge in einer derart sterilen Umgebung aufzogen, wurden sie richtungslose Kinder, die zu richtungslosen Teenagern heranwuchsen, und dann zu richtungslosen Erwachsenen. Ohne Wurzeln, ohne Vergangenheit, Hohlraummenschen.
    Die Vereinigten Staaten waren voll von entwurzelten, leeren Kindern, die den ganzen Tag Videospiele spielten. Zwischendurch fuhren sie mit dem Skateboard über makellose Bürgersteige, vorbei an Vorgärten, in denen noch nie Unkraut gewachsen war. Und wenn man ihnen in die Augen schaute, sah man keinen Zukunftstraum, sondern bloß eine eigenartige Leere. Max wusste nicht, wie die Antwort lautete, er wusste nur, dass sie irgendwo auf dem Weg allesamt falsch abgebogen waren.
    Max hatte schon überlegt, zurück in die Stadt zu ziehen, aber erst vor ein paar Tagen war er hindurchgefahren und hatte festgestellt, dass sein ganzer Block verschwunden war. Dort standen nun ein Parkhaus, ein Laden, in dem man Videospiele leihen konnte, und ein Starbucks. Irgendwo, U.S.A. Wollten die Leute das wirklich? Wer entschied sich für diese Gleichmacherei? Wie war das passiert? Als Thomas Wolfe gesagt hatte, man könnte niemals heimkehren, hatte er doch nicht gemeint, weil die Hütte einfach weg war. Auf so etwas war nicht einmal Wolfe gekommen.
    Manchmal wollte Max in einen dieser riesigen Baumärkte fahren, ein paar Liter Farbe kaufen und sein Haus lila streichen.
    Nicht, dass er Lila besonders toll fand, aber irgendjemand musste irgendetwas Aufregendes tun.
    Als Max nach Hause kam, war Ethan nicht da und hatte auch keinen Zettel hinterlassen.
    Mist.
    Max hoffte nur, dass er keine Wiederholung der Verspätung von gestern erleben durfte.
    Um 1:30 nachts hatte Max die Haustür gehört. Er war aufgestanden und hatte das Licht im Flur eingeschaltet, gerade als Ethan in sein Zimmer schleichen wollte. Im Schein der Deckenbeleuchtung hatte Max gesehen, dass Ethans Augen rot gerändert waren. Er hatte wieder gekifft.
    »Du hast Hausarrest«, hatte
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