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Anne auf Green Gables

Anne auf Green Gables

Titel: Anne auf Green Gables
Autoren: Lucy Maud Montgomery
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Farben ausgemalt. Dies alles schien eine Ewigkeit her zu sein und ging vielleicht niemals in Erfüllung, und doch lag ein zufriedenes Lächeln auf Annes Lippen, als sie sich schließlich schlafen legte. In ihrem Herzen herrschte Friede: Sie hatte ihrer Pflicht mutig ins Auge geschaut.
    Wenige Tage später fuhr nachmittags ein Mann aus Carmody in Green Gables vor. Anne wusste, dass er John Sadler hieß, kannte ihn aber nur vom Sehen. Er unterhielt sich am Hoftor mit Marilla, auf deren Gesicht ein ganz verzweifelter Ausdruck lag.
    »Was wollte Mr Sadler von dir, Marilla?«
    Die alte Frau setzte sich ans Fenster und sah Anne ernst an. »Er hat gehört, dass Green Gables zum Verkauf steht - und er hat Interesse.«
    »Zum Verkauf? Green Gables zum Verkauf?« Anne wollte ihren Ohren nicht trauen. »Oh, Marilla, du hast doch nicht etwa vor, Green Gables zu verkaufen?«
    »Doch, Anne. Es bleibt mir nicht viel anderes übrig. Ich habe mir alles gut überlegt. Wenn meine Augen in Ordnung wären, könnte ich hier bleiben und mit einem guten Arbeiter die Farm weiterhin bewirtschaften. Aber so, wie die Dinge liegen, kann ich es nicht. Vielleicht werde ich ganz und gar mein Augenlicht verlieren - und was dann? Ach, ich hätte nie gedacht, dass es einmal so weit kommen würde, dass ich mein Zuhause verkaufen muss. Aber je länger ich warte, desto schlechter wird der Zustand der Farm - niemand wird sie dann mehr kaufen wollen. Unser Geld auf der Bank haben wir verloren. Rachel Lynde meint auch, ich solle Green Gables verkaufen und mich irgendwo einmieten - bei ihr zum Beispiel. Es wird nicht viel Geld dabei herausspringen, die Farm ist klein und die Gebäude sind alt. Aber es wird genug sein, um mich über Wasser zu halten. Ich bin froh, dass du dein Stipendium hast, Anne. Es tut mir sehr Leid, dass du kein Zuhause mehr haben wirst, das du in deinen Ferien besuchen kannst, aber du wirst es schon irgendwie schaffen.«
    Marillas Beherrschung brach zusammen. Trotz der Warnung des Augenarztes fing sie bitterlich zu schluchzen an.
    »Du darfst Green Gables nicht verkaufen«, sagte Anne bestimmt. »Oh, Anne, ich wünschte, ich brauchte es nicht. Aber sag doch selbst -ich kann hier nicht allein bleiben. Ich würde vor Sorgen verrückt werden ... und mein Augenlicht verlieren.«
    »Du brauchst auch nicht allein zu bleiben, Marilla. Ich werde bei dir sein. Ich gehe nicht nach Redmond.«
    »Du gehst nicht nach Redmond?« Überrascht hob Marilla den Kopf. »Was meinst du damit?«
    »Genau das, was ich gesagt habe. Ich nehme das Stipendium nicht an. Das habe ich schon neulich nachts entschieden, nachdem du in der Stadt warst. Du hast doch wohl nicht etwa geglaubt, ich würde dich in deinem Kummer im Stich lassen - nach allem, was du für mich getan hast? Ich habe schon über alles nachgedacht und Pläne gemacht. Pass auf: Mr Barry pachtet das Land und das Hofgebäude — darum brauchst du dir also gar keine Sorgen zu machen. Und ich werde unterrichten. Ich habe mich für die Schule in Avonlea beworben - ich glaube allerdings, man hat sie schon Gilbert Blythe versprochen. In Carmody kann ich aber auf jeden Fall unterrichten. Mr Blair hat es mir gesagt, als ich gestern bei ihm im Laden war. Im Sommer kann ich dann bei dir wohnen und tagsüber nach Carmody fahren, im Winter nehme ich mir die Woche über ein Zimmer, komme freitags nach Hause und bleibe das ganze Wochenende bei dir. Wir werden die braune Stute für den Einspänner behalten. Und ich werde dir vorlesen und dich unterhalten - du sollst dich weder langweilen noch einsam fühlen. Wir beide werden es uns hier so richtig gemütlich machen.«
    Marilla lauschte ihren Worten wie einem schönen Traum.
    »Oh, Anne, wenn du hier wärst, könnte ich es bestimmt schaffen, das weiß ich. Aber ich kann nicht zulassen, dass du dich für mich aufopferst. Das würde ich mir nie verzeihen.«
    »Unsinn!«, lachte Anne fröhlich. »Das ist gar kein Opfer für mich. Nichts könnte schlimmer für mich sein, als Green Gables verkauft zu sehen. Ich habe mich entschieden, Marilla: Ich gehe nicht nach Redmond, ich bleibe hier und unterrichte. Du brauchst dir um mich keine Sorgen zu machen.«
    »Aber dein Studium, dein Ehrgeiz, deine Pläne ...«
    »Ich bin genauso ehrgeizig wie immer - nur das Ziel hat sich gewandelt: Ich werde eine gute Lehrerin sein - und ich werde dein Augenlicht retten. Außerdem will ich ein Fernstudium machen und mich in meiner Freizeit weiterbilden. Ach, ich habe Dutzende von Plänen,
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