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Anne - 01 - Anne - 01 - Das Leben wird schöner Anne

Anne - 01 - Anne - 01 - Das Leben wird schöner Anne

Titel: Anne - 01 - Anne - 01 - Das Leben wird schöner Anne
Autoren: Berte Bratt
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Sommer »Peer Gynt« gelesen und beim Zurückblättern den Zusammenhang zwischen Äses Tod und der Szene im fünften Akt gefunden hatte. Sie befand sich auf vertrautem Boden, und es war schön, das in Worte kleiden zu können, was sie beim Lesen so stark erfüllt hatte.
    Jess hatte sich vollends umgedreht und starrte Anne an. Es lag etwas in ihrer Stimme, das Jess mit feinem musikalischem Gehör begriff, etwas, das ihn merkwürdig gefangennahm. Studienrat Bru hob den Kopf und streckte das Kinn energisch vor. Seine Wangen hatten sich schwach gerötet. Er räusperte sich: »Du scheinst dich sehr mit ,Peer Gynt’ befaßt zu haben, Anne?« fragte er.
    Anne war jetzt wieder in die Gegenwart zurückgekehrt. »Ja«, sagte sie schlicht. Und nun war sie an der Reihe zu erröten.
    »Es ist möglich«, fuhr der Studienrat fort, »daß du mit deiner Auffassung recht hast. Wir werden weiter darüber sprechen, wenn wir das ganze Drama zu Ende gelesen haben und den Zusammenhang übersehen können. - Jetzt wollen wir mit dem vierten Akt beginnen. Knut, du liest den Peer. Jess, du nimmst Monsieur Ballon. Torgeir, du kannst so gut Schwedisch, du wirst den Trompeterstraale sprechen.«
    Der Unterricht nahm seinen Fortgang. Aber hie und da ging ein verstohlener Blick zu Anne hinüber. Ein seltsames Mädel!
    Vielleicht ein neuer Beweis für das Sprichwort, daß stille Wasser tief sind.
    Jess nahm sich ernsthaft vor, Anne ganz bestimmt am Sonnabend mit in den Gymnasiastenbund zu nehmen. Bisher hatte sie sich da noch nicht blicken lassen. Er verspürte auf einmal Lust, ihre nähere Bekanntschaft zu machen.
    Die Englischstunde, die nun folgte, brachte allerdings eine Niederlage für Anne. Sie wurde im Mündlichen herangenommen, und das Unglück wollte es, daß sie gleich nach Vibeke an die Reihe kam, die ein Jahr in England gewesen war und eine glänzende Aussprache hatte. Die Aussprache war nun einmal Annes wunder Punkt. Sie konnte Grammatik ausgezeichnet, sie hatte auch einen guten Wortschatz. Aber reden oder lesen.
    Der Lehrer schüttelte den Kopf. »Im Theoretischen ist alles bei dir in Ordnung, Anne«, sagte er. »Du mußt aber sehen, daß du ein bißchen praktisch üben kannst. Die Sätze, die du machst, sind zwar ganz richtig; aber ich habe meine Zweifel, ob ein einziger Engländer sie bei dieser Aussprache verstehen würde!«
    Anne wurde rot. Und es versetzte ihr einen kleinen Stich, daß Vibeke, Jess und überhaupt so viele in der Klasse von früh an fremde Sprachen um sich herum gehört hatten. Fast neidisch wurde sie, wenn sie daran dachte, wie leicht es den anderen gemacht worden war, wie ihnen schon in ihrem Elternhaus der Klang der fremden Wörter so vertraut wurde.
    Britt kam jetzt an die Reihe. »Ausgezeichnet«, sagte Studienrat Heier, als sie fertig war. »An deiner Aussprache ist nichts zu bemängeln. Ja, wenn man deine Aussprache und Annes grammatikalische Kenntnisse zusammentäte, dann käme ein Englisch heraus, das sich sehen lassen kann. Bist du etwa schon mal in England gewesen?«
    »Keineswegs«, lachte Britt. »Aber als ich klein war, haben meine Eltern immer englisch zusammen gesprochen, wenn ich nicht wissen sollte, wovon sie redeten.«
    Studienrat Heier lachte auch. »Das muß ja oft der Fall gewesen sein, wenn man danach gehen will, was du alles gelernt hast!«
    »Wahnsinnig oft«, gab Britt zu. »Als ich sechs war, habe ich einmal in einer Straßenbahn laut allerlei Familiengeheimnisse ausposaunt. Es muß furchtbar peinlich gewesen sein. Und damals beschlossen meine Eltern, solche Dinge nur auf Englisch miteinander zu bereden.«
    Jetzt brach die ganze Klasse in ein lautes Gelächter aus. Und in Annes Augen trat wieder jener eigenartige Ausdruck, den sie stets hatte, wenn sie die Schlagfertigkeit der anderen bewunderte.
    Aber immerhin - dieser Schultag hatte ihr etwas Neues geschenkt. Zum ersten Male hatte sie sich behauptet, zum ersten Male war sie diejenige gewesen, der die anderen zugehört hatten. Mit leisem Staunen mußte Anne entdecken, daß es ihr im Grunde gar nicht unangenehm war.
    Nach der Schule kam Jess zu ihr und sagte, sie müsse am Sonnabend unbedingt mit in den Gymnasiastenbund kommen. Es sollte ein Vortrag über norwegische Lyrik gehalten werden. »Das ist doch etwas für dich, wie?«
    »Ja - natürlich«, stammelte Anne und war sehr verlegen. »Aber ich kenne ja dort keinen. «
    »Unsinn«, sagte Jess, »ich nehme dich bei der Hand, wenn du Angst hast. Na? Du pflegst doch sonst nicht bange zu
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