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Anne - 01 - Anne - 01 - Das Leben wird schöner Anne

Anne - 01 - Anne - 01 - Das Leben wird schöner Anne

Titel: Anne - 01 - Anne - 01 - Das Leben wird schöner Anne
Autoren: Berte Bratt
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Alltagssprache streuten. Und vor allem: Warum öffnete Jess ihr die Tür? Noch nie zuvor hatte ihr jemand eine Tür geöffnet, noch nie war jemand beiseite getreten, damit sie zuerst hindurchgehen sollte - und nie zuvor hatte jemand sie derartig mit einem freundlich-offenen, kameradschaftlichen Lächeln angesehen.
    So kam es, daß eine errötende und verwirrte kleine Anne in der Unterprima ihren Einzug hielt.
    Es war Abend. Anne hatte beide Kinder zu Bett gebracht, hatte aufgewaschen, in der Küche aufgeräumt und gute Nacht gesagt. Jetzt saß sie in ihrem Stübchen am Tisch, alle neuen Schulbücher vor sich ausgebreitet.
    Nun ja, neu waren sie allerdings nicht. Sie hatte sie alt gekauft. Trotzdem waren sie noch brandteuer gewesen. Viel von dem Geld, das Magnus ihr mitgegeben hatte, war jetzt nicht mehr übrig. Und erst im nächsten Monat bekam sie neues. Magnus hatte versprochen, ihr monatlich 25 Kronen Taschengeld zu schicken. In Annes Augen war das ein Vermögen. Aber schon jetzt fing sie an zu begreifen, daß das Leben in der Stadt unvorstellbar kostspielig war.
    Sie machte Schutzumschläge um die Bücher und packte sie säuberlich in die Schultasche. Saß da und betrachtete glücklich die Tasche. Wenn es auch viel Arbeit geben würde, wenn sie auch den Groschen würde umdrehen und vielleicht auf alles mögliche verzichten müssen, wenn auch die anderen Mädchen in der Klasse feinere Kleider trugen und Dauerwellen hatten und eine Puderdose in der Handtasche. Anne hatte ein Dach über dem Kopf und das Essen für den Magen und das Schulgeld bezahlt, sie hatte Schulbücher und eine Schultasche, sie war Schülerin der Unterprima, und sie würde das Abitur machen!
    Noch fühlte sie sich allerdings recht fremd in der Stadt. Sie fühlte sich fremd in der Klasse, fremd dem sorglosen Gelächter der anderen, ihrer Kleidung und auch ihren Redensarten gegenüber. Sie hatte noch nicht viele Worte mit den Klassenkameraden gewechselt; nur ihrer Banknachbarin, einer zierlichen, dunkellockigen Person mit Namen Vibeke, hatte sie ein paar kurze Antworten auf ein paar kurze Fragen gegeben. Abgesehen von dem Gespräch mit Jess, natürlich.
    Jess - der fühlte sich nicht fremd. Er war allen anderen genau so entgegengetreten wie ihr, mit ungezwungenem Lächeln. Und die Mädchen in der Klasse waren ihm mit aufmerksamen Augen gefolgt. Ein paar hatten sogar einen Vorwand gesucht, um mit ihm zu reden.
    Anne seufzte unbewußt auf. Zum ersten Male kam ihr zum Bewußtsein, daß sie ein Kind der harten, verschlossenen Natur im norwegischen Westen war. Die Herbheit dieser Natur, ihr Ernst und ihre Schweigsamkeit waren Anne in die Wiege mitgegeben worden.
    Aber sie fühlte auch die nicht zu erschütternde Kraft dieser Landschaft in sich. Der Möwenfjord, der Schwarzbuckel, die rauhen Felsen - das alles war ein Teil von ihr. Ja, sie würde sich schon behaupten.

Anne meldet sich zu Wort
    Anne war schweigsamer als je. Sie hörte mit großen und verwunderten Augen zu, wenn die Klassengefährten munter drauflos schwatzten. Einige hatten Filme gesehen, über die sie in den Pausen lange Diskussionen abhielten, andere waren in den Ferien hier und dort und überall gewesen - sie redeten von Büchern, die Anne nicht kannte, sie redeten von Kleidern, die Anne nie gesehen hatte, sie verabredeten sich zu Radtouren und zum Schwimmen. Anne hatte kein Rad und konnte ohnehin nicht fahren, und es fragte niemand, ob sie mit schwimmen gehen wollte. Keiner in der Schule war unfreundlich gegen sie, aber es gab auch keinen, der ihr überhaupt irgendein Interesse entgegenbrachte.
    Daß sie gute Kenntnisse in allen Schulfächern hatte, wurde bald offenbar. Sie war eine Stütze der Klasse, sie war diejenige, an die die Lehrer sich wenden konnten, wenn die anderen die Antwort schuldig blieben. Freilich - Annes Antworten kamen nicht furchtsam, aber auch nicht selbstbewußt, sondern so ruhig und bescheiden, daß sie auf die Mitschüler ohne Wirkung blieben.
    Ihre Aufgaben konnte sie immer. Wurde aber in der Klasse diskutiert, dann schwieg sie und antwortete nur, wenn das Wort an sie gerichtet wurde. Wenn die Klasse überhaupt eine Meinung über sie hatte, so war es die, daß sie tüchtig war, freundlich und unglaublich belanglos.
    Niemand fragte sie, wie es kam, daß sie hier in der Stadt angespült war, und niemand wollte es auch wissen. Was sie außerhalb der Schule machte, das kümmerte ebenfalls keinen der Kameraden.
    Anne drängte sich auch nicht danach. Dazu war sie
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