Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Animal Tropical

Animal Tropical

Titel: Animal Tropical
Autoren: Pedro Juan Gutiérrez
Vom Netzwerk:
Du-bist-mein-Kerl-mein-Mann-mein-Papilein-mein-süßer-Schnuckel. Hahaha. Ich werde dir etwas zeigen, das dir gefallen wird.«
    Wir gingen hinunter. In ihrer Wohnung ist es ruhig. Ein Cousin züchtet Brieftauben auf dem Balkon. Wir begrüßen und unterhalten uns. Alle im Viertel züchten Tauben und klauen sie ihm mit Fallen. Viele Leute leben davon. Sie stehlen die Tauben anderer Züchter und verkaufen sie. Vor allem für die Santería. Auf vielen Dachterrassen stehen Taubenschläge. Ich nutze die Gelegenheit, um jede Nummer aus dem Traum von gestern Nacht zu spielen. Der Cousin holt die Lose. Er soll zwei Pesos auf 44 setzen, Bier. Und fünf Pesos auf die 65, Essen. Gloria sagt zu mir:
    »Setz fünf Pesos auf 49.«
    »Was ist die 49?«
    »Der Betrunkene.«
    »Wer war der Betrunkene?«
    »Humphrey Bogart. Die drei Nummern sind für dich bestimmt, Schätzchen, du wirst sehen, heute Nacht ziehst du sie.«
    Das Bett ist breit. Aus dem Zimmerchen von vier mal vier Metern, das sie vorher im Haus hatten, kamen sie direkt hierher. Glorias Mutter kümmerte sich jahrelang um eine alte Frau, die allein in dieser Wohnung lebte. Eines Abends, während eines mehrstündigen Stromausfalls, ängstigte sich die Alte – die bereits zweiundachtzig war – in der Dunkelheit und mit ihrem Ehemann, der zweiundzwanzig Jahre zuvor gestorben war. Sie behauptete, der Tote käme mehrmals am Tag, um sie zu holen, würde an die Tür klopfen und sie beim Namen rufen. Zitternd vor Angst starb sie an einer Gefäßerweiterung im Gehirn. Sie hinterließ das Apartment Glorias Mutter in einem legalen Testament, das überraschenderweise drei Tage nach ihrem Tod auftauchte. Jetzt hat Gloria ein Zimmer allein für sich und ihren Sohn. Sogar mit Balkonen und großen Fenstern mit Blick auf den Malecón.
    Das Gebäude stammt von 1927. Seit vierzig Jahren oder mehr ist hier nichts mehr repariert worden, nicht einmal gestrichen. Es ist ziemlich heruntergekommen. Dort, wo früher Fensterscheiben waren, sind jetzt Kartons und Bretter. Die Wände und die Decke sind verrußt und voller Spinnweben, die Möbel aus den Dreißigern kaputt. Überall liegen Bündel zerschlissener Kleidung, und die Sprungfedern der Polster pieken in den Rücken. Die Hündin schläft auf ein paar Lumpen hinten im Schrank. In einer Zimmerecke hat Gloria ihre Orishas. Vor allem die Virgen de la Caridad del Cobre, San Lázaro und Santa Bárbara. Sie herrschen von den Bildern herab, die an den Wänden hängen. In einem Holzkistchen: Elegguá, Ochún, Changó, die Krieger, die Opfergaben an Orula. Die Zigeunerin hat einen Platz für sich, einen privilegierten, gegenüber der Tür, von wo aus sie den Eintritt in die Wohnung überwacht.
    Ich ging auf den Balkon, um mir die Tauben anzusehen und mit ihrem Cousin zu sprechen. Auch ich hatte mal eine Zeit lang davon gelebt, Tauben und Seeschnecken an Santeros zu verkaufen. Gloria brachte mir ein kaltes Bier und ließ mich ins Schlafzimmer eintreten.
    »Siehst du, Schätzchen, du sollst sehen, dass du mein einziger Mann bist, mein Supermacho.«
    Die Ecke mit den Orishas und Santos befindet sich in einer Ecke des Schlafzimmers. Unter den Bildern sind mehrere Fotos von mir, in Farbe, ausgeschnitten aus Zeitungen und Zeitschriften. Sie hatte mich um die Interviews gebeten. Ich dachte, sie würde sie irgendwo aufbewahren, als Andenken. Aber nein. Sie schnitt die Fotos aus und heftete sie auf Karton. Ziemlich seltsam. So was hätte ich mir nie vorgestellt. Ich zwischen den Bildern von Jesus Christus, Santa Bárbara, San Lázaro, San Judas Tadeo.
    »Was ist das denn hier, Gloria? Spinnst du?«
    »Nein. Wieso?«
    »Was mache ich zwischen all den Santos?«
    »Schätzelchen, du bist ein Heiliger und Dämon zugleich. Ich habe die Caridad del Cobre über dich gestellt, damit sie über dich herrscht, immer auf dich Acht gibt und dich nie verlässt.«
    »Hmmm, na schön …«
    Wenn man nicht genau weiß, was man sagen soll, hält man lieber den Mund. Wir schließen die Tür. Wir ziehen uns aus und spielen ein bisschen auf dem Bett miteinander. Mit ungeheuer viel Zärtlichkeit genießen wir uns gegenseitig. Sie lässt sich gehen. Drei- oder viermal unterbricht uns der Junge. Unter allen möglichen Vorwänden klopft er an die Tür. Verlangt nach einem Handtuch, einer Shorts. Zuletzt sagt er durch die geschlossene Tür hindurch zu Gloria: »Mami, hast du’s ihm schon gesagt?«
    »Nein, Armandito. Hör auf zu nerven, und lass uns verdammt noch mal in
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher