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Angezogen - das Geheimnis der Mode

Angezogen - das Geheimnis der Mode

Titel: Angezogen - das Geheimnis der Mode
Autoren: Barbara Vinken
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bis heute oft klein von Wuchs. Die Absätze, die im 18. Jahrhundert aus der Männermode, die sich funktional gab, verschwanden, tragen die modernen Staatspräsidenten nun im Geheimen. Und doch gibt es überraschende Kontinuitäten.Christian Louboutin, der neue Schuhkönig, der die Schuhe macht, für die jede Frau – allerdings kaum in Louboutins – meilenweit gehen würde, erstritt »seine« rote Sohle als Alleinstellungsmerkmal vor Gericht. Seitdem sind die roten Sohlen wieder zu einem allerdings ausschließlich weiblichen Statussymbol geworden. Die schönen, engbestrumpften, vorrevolutionären Männerbeine sind die neuen Beine der Frauen. Mit oder ohne Absatz bewegen sich die Frauen in ostentativer Beinfreiheit so zielstrebig und so raumgreifend wie die Männer der Renaissance.
    Vor der Revolution zeigten Männer Beine, Po und Geschlecht. Im Gegensatz dazu verbargen die Frauen all dies strikt. Bereits der Anblick einer weiblichen Fessel löste Hitzewallungen aus. Diese Konstellation – Rock versus Hose, Verhüllen versus Entblößen – war über die Jahrhunderte so sehr zur verbindlichen Norm geworden, dass ein Test unfehlbar Aufschluss über das Geschlecht einer Person zu geben versprach. Bis ins 18. Jahrhundert hinein verkleideten sich Frauen häufig als Männer, weil sie auf diese Weise konnten, was den Männern vorbehalten war: alleine reisen, auf Schiffen segeln, beim Reiten fest im Sattel sitzen oder in den Krieg ziehen. Prominentestes Beispiel für dieses Crossdressing ist Jeanne d’Arc. Kam jemand in Männerkleidung in ein Kloster, und man hielt es für möglich, dass man eine Frau vor sich hatte, warf man der Person einen Apfel zu. Wenn sie die Beine beim Fangen öffnete, damit der Apfel zur Not vom Rock aufgefangen wurde, war die Person in Hosen eine Frau – oder jedenfalls eine habituelle Rockträgerin. Schloss sie die Beine, um denselben Zweck zu erreichen, so hatte man einen Mann oder jedenfalls einen an Hosen gewöhnten Menschen vor sich.
    Für die vorrevolutionären Männer waren nicht nur die Beine Vorzeigeobjekte; auch das nützlichste Glied der menschlichen Gesellschaft inszenierte man herausragend. Die Herren der Schöpfung ließen es durch die Schamkapsel eindrucksvoll vergrößert und reich verziert hervorragen. Scheinbarständig erigiert, wurde es mit Bändern und Schleifen aufwendig verziert. Heerpauke und Hosenlatz ließen es zwar an diesem Naturalismus fehlen, aber auch sie lenkten verwegen geschlitzt, gut gepolstert, wattiert und geschmückt das Augenmerk auf die knallig aufgestylte Lustbeule. Mit den Sansculotten, dem Ende der Kniebundhose, waren auch die Gockelei und das Potenzgeprotze vorbei: Nach der Französischen Revolution verkümmerte das gute Stück und wurde zur Röhre glattgebügelt. 3 Einzig in der Fetischmode führt die flamboyante Männermode noch ein Nischendasein.
    In den Hosen, die im Empire getragen wurden, hatte die auf Mannhaftigkeit fixierte Mode ein kurzes Nachleben. Sie wurden mit einem Stegreif unter dem Schuh in Spannung gehalten und umfassten das männliche Bein fast so eng wie die Tricothosen. Die Nacktheit des Beins wurde durch die helle Tuchfarbe unterstrichen. Zwar lebte das Geschlecht nicht zu seiner alten Herrlichkeit auf, zeichnete sich dafür aber umso naturalistischer ab. Wie Napoleon die Frage jedes Herrenschneiders, ob man Rechts- oder Linksträger sei, beantwortet hätte, daran kann nach dem Gemälde Napoléon en Egypte von Jean-Léon Gêrome, das im Kunstmuseum der Universität Princeton hängt, nicht der geringste Zweifel bestehen (Abb. 2). Die Physiognomie des so siegreichen wie melancholischen Kaisers zeichnet sich vor orientalischem Hintergrund in seinen enganliegenden Beinkleidern klar ab. Erst die Jeans, wie Marlon Brando und James Dean sie in den Fünfzigerjahren hollywoodtauglich machten, erlaubte es den Männern wieder, Geschlecht und Hintern in Maßen zu betonen.
    Diese Männermode stand ostentativ im Zeichen von Maskulinität. Sie betont die Zeugungsfähigkeit und die Sportlichkeit. Sie rückt einen gutausgestatteten Körper ins Licht, der – das zeigt er mit jedem Muskel und jeder Sehne – fechten, tanzen, reiten kann. Er ist geschmeidig, wendig und sattelfest. Im Gegensatz zu einem vom Joch der Arbeit verbrauchten Körper demonstriert er, zur schlankschnellen Eleganz erzogen, diszipliniertHaltung. Dieser Körper macht Notwendigkeiten zu einer Stilübung. Inszeniert wird, um es mit Freud zu sagen, vermögende Männlichkeit.
    Aber
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