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Angelika Mann - Was treibt mich nur?: Autobiografie (German Edition)

Angelika Mann - Was treibt mich nur?: Autobiografie (German Edition)

Titel: Angelika Mann - Was treibt mich nur?: Autobiografie (German Edition)
Autoren: Angelika Mann
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Herzens, uns in ein Kinderheim zu geben. Da man als Krankenschwester in Ostberlin sehr wenig Geld verdiente, arbeitete sie in Westberlin im Jüdischen Krankenhaus und wurde zur von den DDR-Behörden argwöhnisch beobachteten Grenzgängerin. Aber der Job im Westen hatte für sie große finanzielle Vorteile. Sie bekam einen Teil ihres Lohns in Ost- und einen Teil in Westmark ausgezahlt. So konnte sie uns hin und wieder einen schönen Urlaub an der Ostsee bieten, und wir hatten natürlich schickere Anziehsachen als andere Kinder. Der Nachteil war, dass sie im Schichtdienst arbeitete. Wir waren noch zu klein, um allein zu Hause zu bleiben. So brachte sie uns also eines Tages schweren Herzens in das katholische Sankt Josefsheim in der Pappelallee im Bezirk Prenzlauer Berg.
    Mir gefiel es sofort, weil ich sah, dass dort Musik gemacht wurde. Es gab ein Klavier und andere Musikinstrumente. Außerdem fanden sich viele Kinder zum Spielen.
    Wir wohnten in der ersten Etage mit einem langen Flur und zwei Abteilungen. Ich durfte schon zu den größeren Kindern. Mein Bruder Ecki war ja erst drei und in der Abteilung für die Kleineren. Wenn ich nachts hörte, dass er weinte, bin ich einfach in seinen Schlafsaal geschlichen und habe mich zu ihm gelegt und ihn getröstet.
    Zur Schule gingen wir in die Greifenhagener Straße. In der 26. Grundschule war übrigens zwei Jahre vor mir Achim Mentzel eingeschult worden. Anfangs bin ich sehr gerne in die Schule gegangen, aber bald langweilte ich mich. Ich hatte schon mit fünf Jahren angefangen zu lesen und zu schreiben, und so fand ich es natürlich öde, eine ganze Seite lang den Buchstaben M ins Heft zu kritzeln. Ich wollte mehr. Wenn ich am Nachmittag meine Schularbeiten machte, kaute ich lange nachdenklich an meinem Bleistift. Ich tat wenigstens so, als hätte ich eine schwierige Aufgabe zu lösen.

    Mit meinem Bruder im Kinderheim
    Wir lebten in einem katholischen Kinderheim, deshalb hatte man in der Schule ein Auge auf uns. Allzu gerne hätte man den bösen Katholiken unterstellt, dass sie die armen Kinder darben ließen und wir wurden in regelmäßigen Abständen ins Lehrerzimmer bestellt und gefragt, ob wir auch genügend Essen bekämen. Bekamen wir! Es wurde ordentlich gekocht. Unsere Küchenfeehieß Tante Agatha und versorgte uns mit deftiger Hausmannskost. Wir waren sogar besser dran als andere Kinder. Da das Heim von der Caritas, die ja im Westen saß, unterstützt wurde, hatten wir sogar oft Apfelsinen und Bananen, die es im Osten kaum zu kaufen gab.
    Ich liebte Eier in Senfsoße. Freitags gab es immer Fisch oder Eier in Senfsoße. Jeder bekam zu meinem Verdruss immer nur ein Ei. Also hob ich mir dieses Ei, sozusagen als Königshäppchen, bis zum Schluss auf. Vorfreude ist die schönste Freude. Die lange Gisela bot mir ihr Ei an und sagte hinterlistig, dass ich meins schnell aufessen soll, damit die Aufsicht nicht bemerkt, dass ich noch eins bekommen habe. Ich Trottel bin darauf reingefallen. Als ich meins in Windeseile verspeist hatte, hatte sie ihres längst auch aufgegessen. Ich hatte mich zu früh gefreut und sie konnte sich kaum halten vor Lachen über meine Blödheit.
    Unsere Abteilung wurde von einer Nonne geleitet, Schwester Leonhardine. Wir nannten sie unter uns nur „Nonne“. Sie hatte es sicher nicht ganz leicht. Es gab strenge Regeln, an die wir uns aber nicht immer gehalten haben. Ich sang gern, am liebsten Schlager. Ich war ein absoluter Schlagerfan. Meine Lieblingssängerinnen waren Caterina Valente und Conny Froboess. Von Conny kannte ich alles auswendig. Ich trug sogar ein Amulett mit ihrem Foto um den Hals. Das wurde jedoch weder im Heim noch in der Schule gern gesehen. Genau so wenig mochte man es in Heim und Schule, wenn Mädchen Hosen trugen. Wir sollten lieber braune „Wellblechstrümpfe“ tragen – das waren lange kratzige ungemütliche Gebilde, die Wasser zogen, weil der Strumpfhalter vom Leibchen völlig ausgeleiert war. Als sehr schick galten auch Trainingshosen – doch die Mädchen mussten einen Rock darüber ziehen. So gekleidet trällerte ich unermüdlich Schlager. Leider hatten wir ein Mädchen inder Gruppe – übrigens die Schwester der langen Gisela –, das mich bei „Nonne“ verpetzte, wenn ich mal wieder die Hitparade hoch und runter sang. Zur Strafe musste ich dann stundenlang auf unserer Schuhkiste im Korridor sitzen. Ja, gerecht ging es dort nicht immer zu.
    Einmal in der Woche fuhr ich mit zwei anderen Mädchen zur Musikschule in
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