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Angelfall: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Angelfall: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Angelfall: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
Autoren: Susan Ee
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jetzt wird es von seinem bösartigen Ausdruck beherrscht.
    Wunderschöne, schneeweiße Flügel spannen sich hinter ihm aus. Die Basis der Flügel ist voll von getrocknetem Blut, frische Stiche fixieren sie auf seinem Rücken. Seltsamerweise ist sein Bauch bandagiert, obwohl doch eigentlich sein Rücken blutig ist.
    Es ist etwas Vertrautes an diesen Flügeln.
    Einer von ihnen hat ein Loch an einer Stelle, wo eine Schere die Federn traktiert hat. Ein Loch genau wie das, das ich in Raffes Schwingen geschnitten habe.
    Mein Verstand versucht die auf der Hand liegende Schlussfolgerung abzuwehren.
    Der riesige Engel steht zwischen meiner Familie und der Tür, durch die wir gekommen sind. Erstarrt vor Schreck stiert meine Mutter ihn an. Der Viehtreiber in ihrer Hand zittert, als sie ihn nach dem Riesen ausstreckt. Es wirkt eher wie das Darreichen einer Opfergabe als wie eine Geste der Verteidigung.
    Ein polterndes Geräusch dringt durch die Decke. Dann noch eines und noch eines. Mit jedem Mal wird das Poltern lauter. Das muss es sein, was die Engel gehört haben. Jetzt habe ich keinen Zweifel mehr, dass die Angriffe begonnen haben.
    Verzweifelt bedeute ich meiner Mutter, den Raum durch die Tür zu verlassen, die der Zulieferer benutzt hat. Endlich versteht sie und hetzt mit Paige hindurch.
    Ich habe schreckliche Angst, der Riese könnte sie aufhal ten, doch er beachtet sie gar nicht. All seine Aufmerksamkeit ist auf Raffe gerichtet.
    Raffe liegt mit schmerzverzerrtem Gesicht da. Sein Rü cken biegt sich durch, um den Betonboden nicht zu berühren. Ein riesiges Paar Fledermausflügel liegt wie ein dunkles Cape unter ihm ausgebreitet.
    Es sieht aus, als hätte man eine Lederfolie über eine skelettartige Konstruktion gespannt, die mehr wie eine Waffe wirkt als wie ein Flügelgerüst. Die Schwingen haben rasiermesserscharfe Kanten und eine Reihe größer werdender Haken. Der kleinste sieht aus wie ein scharfer Angelhaken, die größten sitzen auf den Flügelspitzen und erinnern mich an Sensen.
    Raffes Rücken ist blutüberströmt, als er sich unter Schmerzen umdreht und sich vom Boden hochdrückt. Seine neuen Schwingen hängen an ihm herab, während er sich bewegt, als hätte er sie noch nicht ganz unter Kontrolle. Eine von ihnen schiebt er nach hinten, so wie ich mir das Haar zurückwerfen würde. Danach ist sein Unterarm voller neuer blutiger Schnitte, und dort, wo ihn ein Haken erwischt hat, klafft eine schartige Wunde.
    »Pass auf damit, Erzengel«, sagt der Riese, während er auf Raffe zugestakst kommt. Das Wort »Erzengel« trieft nur so vor Gift.
    Ich erkenne die Stimme. Sie gehört dem Nachtblauen, der ihm damals, als wir uns zum ersten Mal begegnet sind, die Flügel abgeschnitten hat. Ohne mich auch nur anzusehen, geht er an mir vorbei, als wäre ich ein Möbelstück.
    »Was spielst du für ein Spiel, Beliel? Warum hast du mich nicht einfach auf dem Operationstisch umgebracht? Warum die Mühe, mir diese Teile anzunähen?« Raffe schwankt ein wenig. Die Operation muss gerade erst zu Ende geführt worden sein, ein paar Momente nur, bevor die Ärzteengel geflohen sind.
    Angesichts des getrockneten Bluts auf dem Rücken des Riesen muss man kein Genie sein, um zu erraten, dass sie ihn sich zuerst vorgenommen haben. Er hatte mehr Zeit sich zu erholen als Raffe, obwohl ich wetten würde, dass auch er noch nicht wieder ganz zu Kräften gekommen ist.
    So unauffällig, wie ich nur kann, hebe ich mein Schwert.
    »Ich hätte dich getötet. Aber bei dieser kleinkarierten Engelspolitik … Du weißt ja noch, wie das ist.«
    »Es ist lange her.« Wieder schwankt Raffe.
    »Und es wird noch länger, jetzt, da du diese Flügel hast.« Beliel grinst, doch irgendwie gelingt es ihm dennoch, grausam auszusehen. »Frauen und Kinder werden schreiend vor dir weglaufen. Und Engel ebenso.«
    Er wendet sich dem Ausgang zu und streicht über seine neuen Federn. »Lauf neben mir her, wenn ich mit meiner neuesten Errungenschaft angebe. Niemand dort unten hat Federn. In der Hölle werden sie mich beneiden.«
    Wie ein Stier senkt Raffe den Kopf und geht auf Beliel los.
    Ich bin überrascht, dass er bei all dem Blutverlust überhaupt laufen, geschweige denn rennen kann, aber er taumelt lediglich ein bisschen, während er auf Beliel zurast. Dieser fängt ihn mit seinem kräftigen Arm ab und schubst ihn in einen Wagen.
    Krachend stürzt der Wagen mitsamt Raffe um. Leuchtend rote Schnittwunden zeichnen seine Wangen, den Hals und die Arme, als im Fallen
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