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Angela Merkel - Ein Irrtum

Angela Merkel - Ein Irrtum

Titel: Angela Merkel - Ein Irrtum
Autoren: Cora Stephan
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wäre: Angela Merkel. Angie, nicht »Mutti«.
    Andere Freunde, Wechselwähler, die wie ich mit der Abgabe ihrer Wahlstimme nicht auch gleich für ein Milieu oder eine Weltanschauung optieren, empfanden ebenso: Hier kommt eine, die erfrischend anders ist, die noch ungeschliffen wirkt, die nicht nur politische Reflexe abliefert, die sich in Lager- und Grabenkämpfen noch nicht aufgerieben hat. Eine, die klare Sätze sagt, ohne sich politisch korrekt abzusichern, die keine gelackte Politikdarstellerin ist, die nicht den Stallgeruch von Ochsentour mit Seilschaft ausdünstet.
    Und deren Wahl man vielleicht sogar als Zeichen sehen könnte: Angela Merkel wäre nicht nur der erste weibliche Bundeskanzler, sie stünde auch für die gelungene Wiedervereinigung.
Und sie wäre ein Beweis dafür, dass es noch immer möglich ist, das Milieu der Berufspolitiker mit seinen festen Bräuchen aufzumischen, ja dass es einer »Quereinsteigerin« gelingen kann, sich durchzusetzen.
    Sie wirkte, seit man sie auf der politischen Bühne wahrgenommen hatte, unprätentiös, uneitel, unabhängig. Den Westnostalgikern missfiel womöglich genau das. Die Frau war nicht durchs Stahlbad von 1968 und die Frauenbewegung gegangen, hatte alle ideologischen und anderen Moden der 70er- und 80er-Jahre verpasst, hatte, kurz gesagt, von nüscht ne Ahnung. Und meinte auch noch, sie könne sich erlauben, von »Deutschland« zu sprechen, weil man das in der DDR nicht hatte sagen dürfen. Im Westen allerdings auch nicht. Da hieß das B.R.D. Aus Respekt vor der D.D.R. Oder so.
    Angela Merkel, mit anderen Worten, fehlten die richtigen Erinnerungen und das passende Vokabular. Ich hielt das nicht für einen Nachteil.
    Für sie bedeutete 1968 nicht nur die Chiffre für die Heldentaten der westdeutschen Studentenbewegung, sondern schmerzhafte Erinnerung an den Einmarsch der sowjetischen Truppen in Prag, unter tätiger Mithilfe der NVA. Und was die Frauenbewegung beschäftigte, hielt sie für Luxusprobleme.
    Angela Merkel kannte die Minenfelder der westdeutschen Öffentlichkeit nicht. Sie ignorierte sie einfach. Sie hatte die aufgeregten Debatten und Neujustierungen nicht mitgekriegt, in denen man sich im Westen verständigt und versichert und als aufgeklärt empfunden hatte. Ihr
fehlte jene Dankbarkeit, mit der man sich noch im Saarland durch die Rote Armee von den Nazis befreit fühlte. Und die Kaltschnäuzigkeit und Unbedarftheit, mit der Westlinke der DDR und der Sowjetunion die doch an und für sich wunderbare »Idee« des Sozialismus zugutehielten, ohne Rücksicht auf die real existierenden Verluste an »konkreten Menschen«.
    Merkel war erfrischend frei vom ganzen aufgerüschten Konflikt- und Ideologiemüll aus der Vorwendezeit. Sie wirkte, nicht nur auf mich, unbefangen, unbelastet von den Übungen in politischer Korrektheit, ungeübt im Gefühlssprech der Betroffenheitspolitik, ohne frauenbewegte Empfindlichkeit. Sie bestand nicht auf den Symbolen, auf die der Feminismus bei den großen Parteien geschrumpft war: auf dem Genderspeak und der Quote. Merkel wollte Kanzler werden, nicht Kanzlerin.
    Das tat gut. Endlich mal was anderes. Merkel war ein Außenseiter, nicht nur in ihrer Partei, sie war auch der Mehrheit der Deutschen fremd. Das versprach ein echtes Experiment.
    Nur: Wer wollte das schon – ein Experiment?
    Im Nachhinein schockiert mich der Umgang mit Angela Merkel. Habe ich vielleicht deshalb mehr Hoffnungen in sie gesetzt, als gerechtfertigt war? Weil es ihr mit ihrer bloßen Existenz gelungen zu sein schien, die Hüter von Toleranz und »Menschlichkeit« zu entblößen?
    Es war nicht die CDU, es waren die politischen Gegner, die mit einem mächtigen Abwehrzauber gegen die neue
Erfahrung ins Feld zogen. Merkel hieß bei ihnen »Kohls Mädchen«. »Das Merkel« war »Birnes« Geschöpf. Eine Marionette ohne eigenen Willen. Basta. Thema durch.
    Tatsächlich wirkte sie zu Beginn ihrer verblüffenden Karriere nicht ganz von dieser Welt. Ein Fernsehauftritt von 1991 zeigt die Frauenministerin, eine junge Frau in roter Strickjacke, mit praktischem Bubikopf und großen Augen, deren Hände nervös mit einer Büroklammer spielen. Mit schüchternem Augenaufschlag und ohne auch nur ein gewinnendes Lächeln gibt sie eine Art Rechenschaftsbericht über ihre politische Tätigkeit ab. Zum Schluss presst sie die Lippen zusammen, als ob sie Lob oder Tadel erwartete.
    Dass aus diesem Bambi die »schwarze Witwe« der CDU werden sollte, stand ihr nicht auf der Stirn
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