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Anders. Und schwul. (German Edition)

Anders. Und schwul. (German Edition)

Titel: Anders. Und schwul. (German Edition)
Autoren: Daniel Hus
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aufhören möchtest, wollte ich dem Kandidat zuflüstern. Wenn Du weiterspielst, fliegst du raus und verlierst den Gutschein. Aber er konnte meine Gedanken natürlich nicht erahnen. Er spielte weiter. Leider selbst schuld. Ich hatte den Mauszeiger schon gezielt auf die Niete platziert und klickte.
    „Hehe, der war ja wohl super langweilig“, sagte der Unbekannte Neue. Sollte ich mich angesprochen fühlen oder sagte er es nur zu sich oder den anderen? Ich entschied mich, die Äußerung zu ignorieren. Womöglich hätte ich dann noch ein Gespräch mit ihm anfangen müssen. So etwas lag mir nicht. Was hätte ich antworten sollen. Und wer sagt mir, dass er überhaupt mit mir reden wollte.
    Er sagte es mir. Denn plötzlich saß er neben mir und schaute mir über die Schulter, wie ich Fortuna spielte.
    „Ach, und du bestimmst, wer gewinnt oder rausfliegt?“
    „Klar, einer muss doch das Geld zusammenhalten“ gab ich trocken zurück.
    Das schreckte ihn nicht ab. Er fragte so lange weiter, bis ich ihm haargenau erklärte, wie das Spiel funktionierte.
    Wir redeten weiter und lästerten über die zum Teil doch sehr dämlichen Kandidaten. Der nette Mann neben mir stellte sich vor. Er hieß Fabian. Die schlechte Laune von heute morgen war vergessen.
    Während wir uns unterhielten, überlegte ich mir, warum wir das überhaupt taten.
    Bald würde ich es wissen.
     
     

3.
     
    „Daniel , dort ist die Türe“. Ich weiß nicht mehr, was ich gesagt oder getan habe, aber es reichte zu einem Rausschmiss aus dem Haus. Ich war sechs Jahre alt und mit einigen anderen Kindern aus unserer Neubau-Siedlung bei John eingeladen. Wir spielten Mankomania, ein Spiel, in dem es darum geht, möglichst viel Geld möglichst schnell los zu werden.
    Viel gesagt habe ich nicht mehr. Ich bin die Treppe herunter gegangen, an John’ irritierter Mutter vorbei und ab durch die Haustüre. Diesen Vorfall nehme ich gerne her, um mir oder anderen zu erklären, warum ich heute so bin, wie ich bin. Es war ein Schlüsselereignis und hat das krönend beendet, was über mehrere Monate absehbar war.
    Wir hatten oft alle zusammen im Garten gespielt, Sammelkarten getauscht oder Verstecken gespielt. Mal zu viert, mal zu siebt, alle die in der Neubau-Siedlung wohnten und zwischen 6 und 8 Jahre alt waren. Wir verstanden uns gut, ich hatte einen besten Freund und natürlich auch jemanden, den ich nicht wirklich mochte. Das war John und ich war sein Problem. John war kleiner wie wir und wurde deshalb auf Wunsch seiner Eltern ein Jahr später eingeschult. Das half ihm nicht wirklich, den Größenunterschied konnte er die folgenden Jahre nicht aufholen. Um es direkt zu sagen: John war klein, aber ein großer Angeber. Das fing schon bei seinem Namen an. „John“. „Meine Mutter war ein Fan von John Lennon und hat mich deshalb so genannt“. „John Lennon war aber bestimmt einen Meter achtzig“, war damals garantiert meine Antwort darauf. Ich konnte ihn nicht ausstehen. Er formte über Jahre meine Vorurteile gegen kleine Menschen: Sie versuchen ihre Größe durch Wichtigtuerei zu überdecken. Das viel mir bei John früh auf. Seine Eltern waren die reichsten in der Siedlung, er hatte die größte Micky Maus Sammlung und er war schon mal in Florida gewesen. So stellte er sich gerne dar, vielleicht war es auch so. Mir war das eigentlich egal, ich war froh, dass ich ihn dank seiner Sprüche nicht bewundert habe, so wie es die anderen Kinder Geschichte für Geschichte getan haben.
    Wir hatten nie wirklich einen Anführer unserer Gruppe, John wäre es immer gerne gewesen und war es schließlich auch unterbewusst. Er war schlau. John wusste, wie er die Kinder auf seine Seite brachte. Seine Mutter hatte einen Schreibwarenladen und immer viele Micky Maus und Yps-Hefte zu verschenken. Von zu Zeit zu Zeit gab’s auch mal Matchbox-Autos. Ich weiß nicht, ob sie ihn bewundert haben, auf jeden Fall haben sie sich mit ihm verbündet – gegen mich.
     
    Ich habe mich geschlagen und ausgestoßen gefühlt. Meinen Eltern habe ich von dem Rausschmiss nichts erzählt, aber sie konnten sich denken, dass etwas vorgefallen war. Seit diesem Nachmittag war ich auf keinem Geburtstag mehr eingeladen, auf keine Feier, zu keinem Rollschuh-Wettfahren. Ich saß in meinem Zimmer und mir war klar, dass ich keine Freunde mehr hatte. Waren das wirklich Freunde? Ich glaube, damals konnte ich mir diese Frage nicht beantworten oder habe sie mir nicht gestellt. Ich bin in Selbstmitleid versunken und habe
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